Montag, 14.05.2018 / 15:29 Uhr

Dreht der Führer durch?

Von
Detlef zum Winkel

Irans Staatsoberhaupt Ali Khamenei, auch geistlicher Führer, oberster Führer, Revolutionsführer oder einfach leader genannt, hat sich erstmals als Imam bezeichnet. In einem Eintrag auf seiner englisch-sprachigen Webseite vom 12.5.2018 heißt es: „To answer questions of youth everywhere, scientific mouvement of Islamic World must progress: Imam Khamenei“. Alle älteren Texte enthalten noch den Titel Ayatollah, etwa „Biography of Ayatollah Khamenei the Leader of the Islamic Revolution“ (leader hier großgeschrieben). Wenn Khamenei jetzt Imam ist, sind noch eine Menge Suche/Tausche-Vorgänge erforderlich.

 

Dies ist zweifellos die wichtigste Neuigkeit vom Kongress über islamische Wissenschaft, dem Khamenei die Ehre seiner Anwesenheit gab. Die Verleihung des neuen Ranges durch ihn selbst ist mehr als kühn. Die schiitische Religion der Zwölfer-Shia kennt, eigentlich, nur zwölf Imame. Sie sind die legitimen Nachfolger des Propheten. Doch schon Khomeini, Staatsgründer der Islamischen Republik, wurde und wird in quasi religiöser Verehrung als Imam bezeichnet, eine nie mit theologischen Argumenten begründete Titulierung, die sich auf dem Feld populistischer Politik irgendwie durchgesetzt hat. Sein Nachfolger Khamenei allerdings erfüllte nicht einmal die Voraussetzungen eines Ayatollahs, da ihm die erforderliche Qualifikation in islamischer Rechtssprechung fehlt. Deswegen lehnte er seine Wahl zum Staatsoberhaupt am 4.6.1989 durch den Expertenrat zunächst ab, um sich dann doch überreden zu lassen. Das war ein geschickter Schachzug. Wer ihn trotzdem wählte, sollte später nicht an seinem Status als Ayatollah herummäkeln.

 

Imam zu werden ist eine Heiligsprechung. Für Khamenei ist das ungleich bedeutender als der profane, von Hitler kopierte Führerkult. Damit erlaubt er sich einen Eingriff in den religiösen Glauben der Schiiten. Kraft seiner Autorität hat er ihn selber vorgenommen. So einfach geht das mit der islamischen Wissenschaft, wenn sie sich in der Hand eines diktatorischen Regimes befindet. Anymore questions of youth everywhere? Ja: welche politische Bedeutung hat die schöpferische Selbstbeweihräucherung? Khamenei beansprucht ab sofort eine noch höhere, unantastbare Autorität. Es ist seine Antwort auf das Scheitern des Wiener Atomabkommens, eine Kampfansage gegen die vorsichtige Machtbalance zwischen Hardlinern, Gemäßigten und Reformern im Iran. Typischer Weise wird sie religiös formuliert.