Donnerstag, 17.01.2019 / 11:20 Uhr

»Knud gegen Böse«, Teil Sechzehn - Sonntagnachmittage

Von
Knud Kohr

Sonntagnachmittag. Das Wetter ist mies, langsam wird es schon wieder dunkel, und überraschender Besuch würde den Autor dieser Zeilen wirklich überraschen. Am ehesten fühlt er sich an seine ersten Jahre in Berlin erinnert. Dass er damals in einem der wenigen Wohnhäuser auf der Westseite des Potsdamer Platzes wohnte, kaum hundert Meter von der Mauer entfernt, damit will er seine geschätzte Leserschaft nicht schon wieder langweilen. Lieber gähnt er ausgiebig und mit weit geöffnetem Mund.
So. Damals liefen die Tage Ihres Autors eigentlich immer nach folgendem Ritual ab.

Er schlief so lange wie möglich. Griff sich dann einen Roman von Agatha Christie, „Die Morde des Herrn ABC“ zum Beispiel. Die damals im Scherz-Verlag wieder aufgelegten Romane hatten immer knapp unter 200 Seiten. Wenn Ihr Autor sich konzentrierte, konnte er einen davon in knapp drei Stunden lesen. Und dann ab in die Mensa. Danach noch ein paar Stunden auf dem Campus herumlungern.

Auf dem Rückweg eine Flasche türkischen Rotwein im Imbiss erstehen.

Dann von seiner Wohnung aus zwischen die beiden Mauerringe starren. Es mochte ja sein, dass dieser Aussichtsposten einer der spannendsten auf der Welt war. Politisch gesehen. Aber auf den zweiten Blick gibt es kaum etwas Langweiligeres, als auf zwei in der Nacht verschwindende Mauern zu glotzen. Für die wirklich spannenden Geschichten war ohnehin die Glienicker Brücke zuständig. Aber haben Sie mal versucht, dort am Sonntagnachmittag hinzukommen? Vielleicht sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Na, sehen Sie!

Die Mauer fiel. Was für Ihren Autor zur Folge hatte, dass er deutlich weniger Besuch bekam als in den Jahren davor. Obwohl, wenn man jetzt mal ganz ehrlich ist, hatten die Besucher Ihres Autors ihren Wochenendbesuch meistens dafür genutzt, direkt vom Bahnhof Zoo den Platz vor seinem Fernseher anzusteuern. Um dort gebannt zuzusehen, wie der Lauf der Welt sich gerade veränderte. Und sonst nichts zu tun. Immerhin ließen sich manchmal Besucherinnen aus lauter Langeweile darauf ein, am Abend gemeinsam mit Ihrem Autor die eine, aber auch die andere Flasche türkischen Rotweins zu verkosten. Und selbst dann, wenn sie zu späterer Stunde mehrere Kleidungsstücke ablegten, blieb es dennoch in der Erinnerung selten ein romantisches Abenteuer. „Vollzugsmeldung“ war eher das Wort, das im Gedächtnis Ihres Autors haften blieb. Nichts, auf das er stolz wäre. Und so furchtbar oft kam es auch nicht vor.

Nun gut. Einen Jahrtausendwechsel später können Sonntagnachmittage immer noch abscheulich langweilig sein.

Allerdings kam Ihr Autor gestern zu einem Schluss, der vielleicht Auswirkungen auf seine Zukunft haben könnte. Zumindest die nächste Zukunft, die ja während des Schreibens für eine Sekunde zur Gegenwart, aber danach sofort zur jüngsten Vergangenheit wird. Tun wird. Hat der Autor dieser Zeilen Sie eigentlich schon einmal darüber informiert, dass das Futur zwei schon immer sein Lieblingstempus war?

„Leserschaft, Leserschaft, Ihr werdet von der Lektüre meines neuesten Textes erfreut gewesen sein!“ Das ist Futur zwei. Vielleicht denken Sie mal darüber nach. Oder, besser noch: Vielleicht werden Sie vom Nachdenken über meinen Text erbaut worden sein.

Und mit diesen weisen Worten, die kaum jemand so wenig versteht wie ich, mache ich für heute Schluss.
Bleiben Sie mir gewogen.