Donnerstag, 23.08.2018 / 22:45 Uhr

Koba, Katzen und Khinkali: Poststalinistische Schnapskultur

Von
Jörn Schulz

Sowjetische Technik ist ausgesprochen robust. Die Kalaschnikow beispielsweise feiert nächstes Jahr ihren 70. Geburtstag, konnte sich aber auf einem hart umkämpften Markt bis heute behaupten. Mit der Soyuz-Rakete, die seit 1966 startet, fliegt noch heute alle Welt in den Orbit. Das sind beruhigende Gedanken, wenn man sich in einen sehr engen, niedrigen und dunklen sowjetischen Fahrstuhl gezwängt hat, der zumindest seinen 40. Geburtstag hinter sich haben dürfte und rumpelnd das 14. Stockwerk zu erreichen versucht. Dass eine regelmäßige Wartung stattfindet, ist eher eine vage Hoffnung, eine Neuerung gab es aber: den Münzeinwurf. Man zahlt im voraus.

Ich würde diesen Blogeintrag nicht schreiben, wenn ich das 14. Stockwerk nicht erreicht hätte. Über den Hintergrund dieses gewagten Unternehmens werden Sie am 6. September mehr erfahren. An dieser Stelle sei nur verraten, dass es in Georgien nicht einfach ist, einen Tagesplan zu verfolgen. Die Menschen hier, so jedenfalls der erste Eindruck, sind sehr kommunikationsfreudig. Dies hat den Vorteil, dass man hier sehr schnell interessante und ungewöhnliche Menschen kennenlernt. Lernen Sie einen dieser Menschen kennen, kommt er schnell auf die Idee, dass unbedingt jemand anders auch noch an diesem Gespräch teilnehmen muss, der dank moderne Telekommunikationstechnik sofort erreichbar ist und prompt erscheint. Der Tagesplan gerät in den Hintergrund, aber Sie erleben stattdessen etwas völlig anderes, das Ihnen einen Einblick in die georgischen Verhältnisse gewährt, den Sie sonst niemals bekommen hätten. Und das Museum ist ja auch morgen noch geöffnet.

Wenn das früher schon so war, ist es kein Wunder, dass Stalin, der, obwohl Georgier, andere Vorstellungen von Kommunikation hatte, zu dem Schluss kam, man könne diese Leute nur mit, nun ja, stalinistischen Methoden in den Fünfjahresplan pressen. Als er noch ein ehrenhafter Bankräuber war, bevorzugte er den Kampfnamen Koba, eine literarische Figur des ritterlichen Banditentums – allerdings rachsüchtig.

Voriges Jahr waren wir in Albanien, einem Land, das seinen eigenen Stalin produziert hat. Vergleiche sind da unvermeidlich. Ein interessantes Forschungsthema wäre „poststalinistische Schnapskultur“ - in beiden Ländern gibt es wirklich guten Grappa (hier Chacha genannt). Der kann den Tagesplan auch durcheinander bringen, deshalb werden Sie über die Katzen heute nichts mehr erfahren.