Dr. Motte feiert Geburtstag

Doktor Motte zum Sechzigsten

Auf den Spuren des Techno-Urgesteins.
Die preisgekrönte Reportage Von

In dieser Woche feiert Doktor Motte seinen 60. Geburtstag. Genauer gesagt am 9. Juli des zurückliegenden Sommers. Wer ist Doktor Motte? Wer ist der Erfinder der modernen Tanzmusik, der Schöpfer des legendären Totstampf-Events Loveparade? Kultgreis, Rauhbein, Musikfreak, Architekt des Wandels, rabiater Spinner, charmanter Träumer, kleiner Revoluzzer mit einem Herzen aus Gold, Uni­versalgenie; authentisch, liebenswert und immer ein bisschen neben der Spur: Das alles trifft auf Udo Lindenberg zu. Doktor Motte hingegen hat selbst bei seinen engsten Freunden kaum Spuren hinterlassen.

Ortstermin im Mottenheim! Die DJ-Legende lebt heute extrem zurückgezogen, in einem umgebauten Verstärkerwagen, der in Berlin-Schöneberg auf einem kleinen Grün­flecken steht. Braungebrannt und kräftig, mit über 200 Kilo und einem starken russischen Akzent, kommt er uns so gar nicht mehr wie der agile Tausendsassa vor, der mit 60 Beats pro Minute die Verhältnisse zum Tanzen brachte, oder doch zumindest ein paar Tausend verstrahlte Hippies auf Badezusatz. Nach einer längeren Diskussion stellen wir fest, dass Doktor Motte hier schon länger nicht mehr lebt. Rätselhafte DJ-Kultur!

Ganz unumstritten war Motte nie, war die Loveparade doch immer auch politisch. 1995 sagte Motte in einem Interview mit dem Tagesspiegel: »Dies ist mein Aufruf an alle Juden der Welt, sie sollen doch mal eine neue Platte auflegen. Und nicht immer nur rumheulen.« Wenig später entschuldigte er sich. Sein Temperament muss mit ihm durchgegangen sein! Doch wer wie Motte alle drei Minuten eine neue Platte auflegt, den schert es grundsätzlich wenig, was vor zwei Tagen oder 25 Jahren im Radio lief.

Heute macht Doktor Motte immer noch Musik. Die fröhlich unverkrampften Tage von »Chill out Planet Earth!« sind jedoch definitiv vorbei. Auf seinem Youtube-Kanal »MoTTivation I-XXIII« bietet Motte experimentelle Tanzmusik an. Basis sind elaborierte Sequenzen auf dem tra­ditionellen australischen Blasinstrument Didgeridoo, zwischendrin plaudert der »MoTTivationstrainer« Motte aus seinem Aktienportfolio, berät beim Immobilienkauf. Doch auch hier ist Motto seinem Motte treu geblieben: »Love is the message! Selbst dann, wenn ihr Mieter rausklagen müsst – tut es liebevoll!«

 

Aus der Urteilsbegründung: Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.