Die Rechtskolumne, Teil 24 – Mehr Repression gewünscht nach Stuttgarter Randale

Mehr Repression

Im Paragraphendschungel – eine Kolumne über das Recht im linken Alltag, Teil 24
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Die Randale von Stuttgart ist weiterhin Thema, sowohl in Talkshows als auch in der Innenpolitik. Thomas Strobl (CDU), der Innenminister von Baden-Württemberg, präsentierte vergangene Woche seine Wünsche. Die Mindeststrafe bei einem »tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte« nach Paragraph 114 des Strafgesetzbuchs will er von drei auf sechs Monate erhöhen und auch den Pa­ragraphen 113, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, verschärft wissen. Außerdem hätte Strobl gerne, dass wegen Landfriedensbruchs gemäß Paragraph 125 auch bestraft wird, wer im Zuge einer solchen Randale andere anfeuert. Die ersten beiden Punkte sind für Innenminister nicht ungewöhnlich; Strafverschärfungen zu fordern, geht immer. Strobls Ansicht zum Landfriedensbruch lässt allerdings aufhorchen, da das »Einwirken auf die Menge« in der Absicht, die Bereitschaft der Menge zu Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen zu fördern, gemäß Paragraph 125 bereits jetzt als Landfriedensbruch gilt und damit strafbar ist. Strobl bezog seine Forderung später präzisierend auf diejenigen, »die grölend und johlend dabeistehen, wenn Polizisten, wenn Einsatzkräfte angegriffen werden«. Zur Erhöhung einer Gefahr für ein Rechtsgut, hier die öffentliche Sicherheit, soll demnach keine Absicht mehr nötig sein, um das Handeln strafbar zu machen. Es soll vielmehr ausreichen, eine falsche Gesinnung kundzutun, etwa durch Johlen.

Diese Vorschläge bedeuten zusammen mit den bisherigen Strafrechtsverschärfungen der vergangenen Jahre letztlich, dass die liberale Neukonzeption des Strafrechts in Bezug auf Versammlungen, wie sie die sozialliberale Koalition unter Willy Brandt 1970 durchsetzte, endgültig abgeräumt werden soll. Diese Tendenz zeigte sich bereits in der Praxis Hamburger Behörden bei der Strafverfolgung nach den G20-Protesten von 2017. Strafbar sollte sich demnach jeder Anwesende gemacht haben, wenn es zu Gewalttätigkeiten wie etwa Flaschen- oder Steinwürfen gekommen war. Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit zwar mehrfach festgestellt, dass die bloße Anwesenheit keine Strafbarkeit begründet, aber die Justizbehörden versuchen es trotzdem. Eine Gesetzesänderung wie von Strobl angestrebt gäbe dieser Vorgehensweise eine Grundlage. Polizeischützervereine wie die sogenannten Gewerkschaften GdP und DPolG unterstützen diese Vorschläge mit Feuereifer – zusammen mit ihren Verbündeten in den Unionsparteien.

Der Forderungskatalog enthält in diesen Kreisen eigentlich immer das Gleiche – Verbote, Strafen, mehr Waffen, mehr Befugnisse. Und so verhält es sich auch »nach Stuttgart«: Alkoholverbote, Videoüberwachung und härtere Strafen sollen es regeln. Da ich einige Jahre meines Lebens in Stuttgart verbracht habe, überrascht mich das zwar nicht, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass sich die Polizei dort nicht gerade durch Zurückhaltung auszeichnet. Repression ist die Antwort auf nahezu alle Probleme, die Jugendliche und Heranwachsende aufwerfen. Und da das offenbar nicht geklappt hat, wie die Randale zeigt, lautet die Antwort: noch mehr Repression. Dass ausgeprägt repressives Auftreten der Polizei möglicherweise auch zur Dynamik dieser Nacht ihren Teil beitrug, liegt zwar nahe, sollte aber wohl nur vorsichtig ausgesprochen werden – in Zeiten, in denen die Sicherheit des Landes so fragil erscheint, dass der Bundesinnenminister diese selbst von einer kleinen Kolumne in der Taz gefährdet sieht.