Der Absturz der AfD

Der Scheißhasen-Effekt

Die preisgekrönte Reportage

»Jetzt AfD zu wählen, wäre die größte Gefahr. Das sage ich als AfD-Wähler.« Jörn Schlupf hat es derzeit nicht leicht. Eigentlich wäre der passionierte Leichtbiertrinker jetzt gerne draußen auf der Straße, Stimmung machen gegen Merkel, agitieren gegen das korrupte Kartell der Altparteien und gegen Leute, die ihm zu ausländisch sind. »Aber ich meine, hallo, Corona? In einer Ausnahmesituation will ich nichts riskieren. Ich denke, Merkel macht in Anbetracht der Umstände einen wirklich guten Job.«

Europas Rechtsparteien sind in der Krise: Fast alle haben seit Januar mindestens zwei Prozent verloren, die FPÖ drei, die AfD sogar viereinhalb Prozent. Die Meinungsforscher führen das auf den sogenannten Scheißhasen-Effekt zurück, benannt nach Wilhelm Friedrich Scheißhasen, einem klinischen Psychologen der Goethe-Zeit. »Der Scheißhasen-Effekt beschreibt die Tendenz lächerlicher Großmäuler, in Zeiten der Krise Angst vor der eigenen Courage zu kriegen und den Systemumsturz auf die Zeit nach dem Ausnahmezustand zu verlegen.« erklärt Jannick Scheißhasen, ein Nachfahre des berühmten Wissenschaftlers, der derzeit am Fachbereich Gefühlte Statistik der Universität Gröningen forscht.

»Wir haben 100 AfD-Wähler gefragt: 52 Personen sind mit Merkels Arbeit in der Krise mittelgut bis sehr mittelgut zufrieden.« Auf die Frage, ob sie in der jetzigen Situation eine Machtergreifung durch die AfD gutheißen würden, antworteten hingegen nur zwölf Personen mit »mittelgut«, so Janick Scheißhasen weiter. »Das heißt: Die AfD ist nur dann eine Alternative, wenn es den Leuten gutgeht, sie zu viel Zeit und zu wenig Sorgen haben. Sobald eine ernsthafte Gefahr auftritt, traut man der AfD plötzlich nichts mehr zu.«

In der Sozialforschung gibt es eine Bezeichnung dafür: »Richtig feige Arschlöcher« (RFA). In einer Situation relativer Sicherheit am Ast sägen, um ihn dann in der Krise wieder mit Uhu »Flinke Flasche« kleben zu wollen, sei einer der sieben klassischen RFA-Indizes, so Scheißhasen.

Hinzu kommt: Merkels Politik unterscheidet sich von den Wünschen der AfD gar nicht mal so sehr, wie das linke Fans der Kanzlerin gerne hätten. »Alles für die Wirtschaft, nix für die Flüchtlinge – Merkel macht das alles, packt das bloß in eine nettere Sprache«, sagt Jörn Schlupf. »Da könnte man nach der Krise mal von lernen! Oder gleich koalieren.«

Aus der Urteilsbegründung:
Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.