Mit dem »Clubsterben« befasst sich nun auch der Bundestag

Der Bass im Bundestag

Nur selten dürfte eine Anhörung im Bauausschuss des Bundestags für ­derart große Aufmerksamkeit gesorgt haben: Am Mittwoch vergangener ­Woche fand dort ein öffentliches Fachgespräch zum Thema »Clubsterben« statt. Die Clubkultur stand somit offiziell auf der Tagesordnung des Parlaments. Auf den Besucherrängen des Saals war kaum noch Platz zu finden.

Die rasante Preissteigerung im Immobiliensektor trifft auch die Clubs hart. In den vergangenen zehn Jahren mussten bundesweit mehr als 350 schließen, 100 allein in Berlin. Die Clubcommission Berlin, ein Zusammenschluss von Clubbetreibern, der sich gegen diese Verdrängung einsetzt, stuft zurzeit 24 weitere Clubs als akut bedroht ein.
Das »Clubsterben« hat mehrere Gründe, wie prekäre Mietverhältnisse und Lärmbeschwerden. Clubs gelten als sogenannte Vergnügungsstätten und genießen wenig Schutz im Baurecht. Sie sind mit Spielhallen und Bordellen gleichgesetzt. Dieser Status erschwert auch Baugenehmigungen.

Zudem wecken die postindustriellen Bauareale, auf denen sich das städtische Nachtleben häufig abspielt, ­Begehrlichkeiten. Investoren wollen Hotels und Luxuswohnungen bauen, alteingesessene Etablissements müssen schließen. Es gibt etliche Beispie­le verdrängter Clubs, unter anderem der Leipziger Traditionsladen »Distillery«, der in Bälde wird umziehen müssen, und der Neuköllner Technospielplatz »Griessmuehle«. Beide müssen Bauprojekten weichen.

Die Linkspartei und die Grünen wollen dieser Entwicklung mit jeweils eigenen Anträgen im Bundestag entgegenwirken. Der im November eingebrachte Antrag der Fraktion der Linkspartei will Lärmschutzfonds und »Kulturschutzgebiete« einführen, zudem sollen Clubs als kulturelle Einrichtungen anerkannt werden. Das Prinzip »agent of change« soll Investoren, die in der Nähe bestehender Clubs bauen, verpflichten, selbst für Lärmschutzmaßnahmen zu sorgen. Auch der mietrechtliche Schutz für kulturelle Einrichtungen soll gestärkt werden, etwa durch eine Begrenzung von Mieterhöhungen, einen verbesserten Kündigungsschutz, höhere Mindestvertragslaufzeiten und die Erstellung von Gewerbemietspiegeln. Der ebenfalls im November vorgelegte Antrag der Grünen beinhaltet Ähnliches.

Im Januar hat auch die FDP einen eigenen Antrag mit dem Titel »Die Blackbox-Clubszene – kreativ und wirtschaftlich« gestellt. Darin beklagt sie »Bürokratiewahnsinn«, die Steuerbelastung und »staatliche Kontrolle«. Die Partei will die Bonpflicht in Clubs lockern und die Aufbewahrungsfristen für steuerrelevante Unterlagen verkürzen. Allerdings sind bislang keine Fälle bekannt, in denen Clubs an diesen Hürden gescheitert wären.
Diese drei Anträge wurden in den Bauausschuss überwiesen. Eine Grundlage für die dortige Diskussion sollte das Fachgespräch sein, zu dem unter anderem Steffen Kache, der Betreiber der »Distillery« und Vorstandsmitglied der Live-Musikkommission, Pamela Schobeß, Vorsitzende der Clubcommission Berlin und Betreiberin des Clubs »Gretchen«, und Jakob Turtur, der Co-Betreiber des mittlerweile geschlossenen Clubs »Johnny Knüppel«, eingeladen waren. Die FDP hatte einen großen Namen als Sachverständigen angekündigt. Daraus wurde aber nichts.

Zentral im Gespräch war die Frage, was unter Kunst zu verstehen sei. »Uns mit Bordellen oder Spielhallen gleichzusetzen, ist immer wieder ein Schlag ins Gesicht. Das entspricht nicht der Realität«, sagte Schobeß. »Wir sind nicht weniger wertvoll als Theater- oder Opernhäuser. Wir sind eine Musikspielstätte, die ein hochrangiges Kulturprogramm anbietet. Ein Club, der neue elektronische Musikstile vorstellt.«

Die FDP will die Bonpflicht in Clubs lockern und die Aufbewahrungs­fristen für steuerrelevante Unterlagen verkürzen. Allerdings sind bislang keine Fälle bekannt, in denen Clubs an diesen Hürden gescheitert wären.

Turtur bemängelte die schwierigen Bedingungen für innerstädtische Clubs: »Auf dem freien Markt können wir kaum mehr in Konkurrenz zu anderen Angeboten stehen. Experimente kann sich kaum noch jemand leisten, genauso wenig wie langfristige Investitionen.« Das habe nicht nur für Clubbetreiber Konsequenzen. »Wir werden zunehmend an den Stadtrand verdrängt. Das wiederum führt zu einer Kommerzialisierung und Mainstreamisierung in den Innenstädten, die unsere vielfältige Kulturlandschaft zerstören.« Turtur kritisierte zudem eine 1958 verfasste, immer noch geltende Berliner Baunutzungsverordnung als unzeitgemäß. »Zwischen damals und heute liegen mehr als 60 Jahre kultureller Entwicklung.«

Lediglich die Vertreter der AfD zeigten sich begriffsstutzig und stellten die Frage, was einen Buchclub von einem Musikclub unterscheide. Ansonsten findet das Thema fraktionsübergreifendes Interesse. Klaus Mindrup von der SPD räumte ein: »Wenn man an die rheinische Karnevalskultur dieselben Genehmigungsmaßstäbe ansetzen würde wie an die Berliner Clubkultur, wäre sie wahrscheinlich schon verboten worden.«

Die Bundesregierung arbeitet zurzeit auch an einer Novellierung des Baugesetzbuchs, um den Wohnungsbau zu erleichtern. Caren Lay, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei und Initiatorin des Antrags gegen das »Clubsterben«, stellte dazu am 22. Januar eine schriftliche Frage: »Wie will die Bundesregierung dafür sorgen, dass Musikclubs in der Anwendung der Baunutzungsverordnung als Anlagen für kulturelle Zwecke eingestuft werden?« Die Meinungsbildung sei noch nicht abgeschlossen, steht in der Antwort, die der Jungle World vorliegt und keine konkrete Maßnahmen vorsieht.

»Das ist schade«, sagt Lay der Jungle World. »Es bleibt aber die Möglichkeit, weiter Druck zu machen. Clubs müssen als kulturelle Anlagen im Sinne der Baunutzungsverordnung anerkannt werden. Dazu besteht jetzt die Chance im Zuge der Baugesetzbuchnovelle.« Das wäre ein realistischer erster Schritt. Änderungen im Gewerberecht dürften schwieriger sein. Alle drei Oppositionsanträge dürften keine Mehrheit finden. Das »Clubsterben« ist jedenfalls zu einem politischen Thema geworden. Vielleicht wird es ja Gegenstand künftiger Koalitionsverhandlungen.