Die Boxkolumne – neue Wettkampfbestimmungen beim Deutschen Boxsportverband

Komplizierte Klassenfrage

Kolumne Von

Anfang des Jahres kursierte ein Entwurf der Wettkampfbestimmungen des Deutschen Boxsportverbands (DBV) in den sozialen Medien. Er sorgte für einige Aufregung. Zuerst die gute Nachricht: Wer seinen Bart nicht abrasiert, darf nicht in den Ring. Diese Regel bleibt zum Glück bestehen. Dafür werden wieder einmal die Gewichtsklassen neu eingeteilt. Im frühen 19. Jahrhundert gab es noch keine Standardgewichtsklassen, heutzutage ist es ein wenig komplizierter. Die meisten professionellen ­Boxverbände bringen es seit 2007 auf 18 Gewichtsklassen. Im Amateurbereich sind es dagegen nur 14.

Zunächst fällt auf, dass der DBV bei seiner Einteilung stark von den »Technical & Competition Rules« des Weltverbands AIBA abweicht. Das System des internationalen Verbands umfasst bei den Männern wie auch bei den Frauen zehn Gewichtsklassen. Für die olympischen Wettbewerbe sind es bei den Damen fünf und bei den Herren acht Gewichtsklassen. Die derzeit vom DBV präsentierten Vorgaben stellen nach Ansicht der Box­ab­tei­lung des FC St. Pauli »eine Mischung der AIBA- und der olym­pischen Gewichtsklassen dar«, orientieren sich »jedoch deutlicher an den Zuschnitten der olympischen« – keine schlechte Entscheidung, ist die Zukunft der AIBA doch höchst ungewiss.

Vor allem für männliche Boxer im Bereich zwischen 56 und 64 Kilogramm ist der deutlich abweichende Zuschnitt der Gewichtsklassen bedeutsam. Eine Einigung zwischen dem Weltverband AIBA, dem DBV und den für Olympia verantwortlichen Funktionären wäre wünschenswert. Bei den Frauen ist nicht der Zuschnitt das größte Problem, sondern die Tatsache, dass zumindest für die Olympischen Spiele in Tokio 2020 einige Gewichtsklassen vollständig ausgelassen wurden.

Die neuen Wettkampfbestimmungen sorgen auch darüber hinaus für große Aufregung. Die im Bereich Sportrecht tätige Rechtsanwaltskanzlei Dr. Strickrodt & Standke hat in einer Stellungnahme die Probleme zusammengefasst: Der Paragraph 13, der unter anderem die Regeln im Amateurbereich festlegt, enthalte »rechtlich wieder hochbrisante Normen«. Die Kanzlei erwartet interessante Rechtsstreitigkeiten.

Stoff für Zoff gäbe es jedenfalls genug. Einige Fragen sind weiterhin offen, beispielsweise der Genehmigungsvorbehalt, der Tätigkeiten inner- und außerhalb des Berufsboxens regelt. Dem neuen Paragraphen 2 zufolge »ist jede Tätigkeit beim Profi­boxen genehmigungspflichtig«. Genehmigungen dürfen neben dem geschäftsführenden Vorstand des DBV auch »von ihm beauftragte Personen« erteilen. Das ist eine schwammige Formulierung, die den Funktionären Manipulationen und Machtmissbrauch ermöglicht. Umstritten ist auch, unter welchen Voraussetzungen Profiboxer zu den Amateuren zurückkehren können. Die Entscheidung soll nicht der nationale Verband, sondern die AIBA treffen. Einigkeit herrscht dagegen bei der Klausel 10 des Paragraphen 13: »Wer sich als Rummelboxer betätigt, wird mit einer Sperre von allen Wettkämpfen von mindestens einem Jahr belegt.« Abgehalfterte Faustkämpfer auf Jahrmärkten, der Kirmes oder Wiesenveranstaltungen sind ein Trauerspiel, das der Verband nicht dulden will. Wer noch einmal als Sportler im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen will, muss in den Ring steigen und darf nicht einfach Schaulustige verprügeln.