Eine Regierungsvereidigung wie eine Seifenoper

Folge deinem Herzen

Während der Vereidigung der neuen österreichischen Bundesregierung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen blendet der ORF versehentlich die Untertitel einer Telenovela ein.

Ein Regierungsantritt, das ist etwas feierliches. Da werden Hände noch viel ernster als sonst geschüttelt, Schwüre verkündet und Hymnen gesummt und Menschen die sich gestern gegenseitig auf Twitter noch ins Gefängnis gewünscht haben sind auf einmal nett zueinander. Entsprechend ist ein Regierungsantritt auch immer etwas, bei dem sich verschiedene Cliquen der Herrschenden voll gutem Willen und böser Gedanken versprechen, jetzt ein paar Jahre am selben Strang zu ziehen. Anders ist das auch in Österreich nicht, auch wenn der Antritt dort noch etwas feierlicher heißt: Nämlich Angelobung.

Vergangenen Dienstag fand die langerwartete Angelobung endlich statt. Nachdem der Flirt mit dem rechten Rand für Kanzler Sebastian Kurz nur ein gebrochenes Herz und ein, wenn auch gut gemeistertes, PR-Desaster hinterließ, hat dieser auf den Hacken kehrt gemacht und sich als Juniorpartner diesmal die Grünen angelacht. Hindernisse, wie das die einen sich eher links, die anderen eher rechts verstehen, werden dabei hinten angestellt. Zunächst einmal muss regiert werden, da herrscht Einigkeit. Damit, Verantwortung im Zweifelsfall gegen die eigenen Ideale zu tragen, scheinen auch die österreichischen Grünen wieder zu den Wurzeln grüner Politik gefunden zu haben.

Das Regierungsprogramm klingt nach etwas, an dem Beobachter und Beobachterinnen, noch ihre hellen Freude haben werden. Das zeigt schon die Kurz‘sche Losung: „Grenzen und Klima schützen.“ Wie das aussehen mag? Das Klima wird in die im Programm geschlossene Schutzhaft genommen, die Grenzen co2-neutral ein bisschen weiter geschlossen und mit neuen Anti-Hate-Speech-Gesetzen sollen „importierte Macho-Kulturen“ (Kurz) aus dem Internet und in die Abschiebeflieger getrieben werden und dazu, die Grünen verstehen sich ja auch als soziale Partei, gibt es für den kleinen Mann mehr Transparenz in der Bundespolitik, für die kleine Frau gibt es die Öffi-Milliarde. Kurzum (no pun intended): Ein mutiger Versuch die in ganz Europa brennende Frage, wie menschenverachtender Konservatismus mit menschlich-ökologischer Fratze aussehen kann, zu beantworten. Ein Versuch, bei dem freilich die, die unter der ersten Regierung von Kurz schon zu leiden hatten, weiterhin nichts zu lachen haben werden.

Zur Angelobung wollte das mit dem Ernst allerdings nicht ganz klappen: Wer in der ORF-Mediathek zur Liveübertragung zuschaltete, sah da Bundespräsident Alexander van der Bellen (ehemals die Grünen, heute parteiloser Agent der Verhältnisse) die Hand des zukünftigen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) schütteln, vom Sender untertitelt mit „Mama hat nichts dagegen?“. An anderer Stelle bietet van der Bellen einem Beistehenden vom Fleck weg einen Job als Kellner an oder Kurz bedankt sich beim Bundespräsidenten, dass dieser den Schwimmunterricht erlaube, was natürlich wieder den Witz von der Knabenhaftigkeit des Kanzlers füttert. Das Ganze funktioniert allerdings nur, solange der Ton ausbleibt, aus den Boxen dringt die erwartbare Drögheit mit allem Pomp und viel Formalität.

Etwa ein Geniales Satireprojekt? Der ORF dementiert. Es sei zu einem Abwicklungsfehler gekommen und anstelle der Liveuntertitelung seien einfach die der vorangegangen Sendung, einer Folge der Telenovela „Alisa – Folge deinem Herzen“ erneut abgespielt worden. Selbst das mag noch als symbolisch für den Amtsantritt gelesen werden, nichts zu sehen hier, nur ein Abwicklungsfehler und die Untertitel der vorangegangen Koalition. Für viele bleibt am Ende wohl eh nur ein ähnliches Gefühl, wie das, das einer der fehlplatzierten Untertitel ausdrückt. Da ist zu sehen ein leicht konsterniert schauender van der Bellen beim Blick auf Kurz, dazu im Untertitel: „Der schon wieder!“