Die Europäische Investitionsbank hat eine neue Klimastrategie

Die grüne Bank der EU

Europa will CO2-neutral und grün werden. Finanzieren soll das die Europäische Investitionsbank.

Der Donnerstag war schön, aber kalt. An diesem Dezemberabend um 20 Uhr ist die Sonne natürlich schon längst wieder untergegangen. Fast 70 Gigawatt Strom werden in diesem Moment in Deutschland laut Echtzeiterhebung der Bundesnetzagentur verbraucht. Und mit jeder Kilowattstunde Strom werden 449 Gramm CO2 in die Atmosphäre ­geblasen, denn Solarzellen liefern in dieser Jahreszeit keine Energie. Über 40 Prozent des Stroms kommen aus den Stein- und Braunkohlekraftwerken des Landes. Gas- und Atomkraftwerke liefern jeweils knapp 13 Prozent. Windenergie, Wasserkraft und Biomasse sorgen dafür, dass immerhin fast ein Drittel des Stroms aus regenerativen Quellen kommt.

Auf Kredite hoffen können  daher vor allem südeuropäische Länder. Sie bekommen die Chance, in den kommenden Jahren zügig ihre Energieversorgung und ihre Leitungsnetze zu modernisieren.

Geht es nach der Bundesregierung, wird die Stromversorgung schon in 15 Jahren vollkommen anders aussehen: Während bereits 2022 alle Atomkraftwerke vom Netz gehen sollen, ist geplant, 2035 auch die Stein- und Braunkohlekraftwerke endgültig abzuschalten. Die »Energiewende« ist ein ehrgeiziges Projekt. Ein deutscher Alleingang, zumindest was den Ausstieg aus der Stromproduktion mit Kohle und Gas betrifft, ist sie in Westeuropa nicht mehr. Zwar folgt kein Staat dem deutschen Atomausstieg, aber die Zeit der Kohle geht im alten Europa, anders als in Afrika, Polen, Russland oder Asien, dem Ende entgegen. Belgien ist aus der Kohleverstromung fast vollständig ausgestiegen, die Niederlande und Portugal wollen 2030 folgen, Frankreich will schon 2022 das letzte Kohlekraftwerk abschalten und Großbritannien bis 2025 den Ausstieg schaffen.

Auch die Europäische Investitionsbank (EIB) will diese Entwicklung vorantreiben. Sie beschloss am 14. November, ab 2021 keine Kohle- und Gaskraftwerke mehr zu finanzieren.

Auch wenn die EIB nicht allzu bekannt ist, ist sie von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Seit ihrer Gründung 1958 hat die »finanzielle Sondereinrichtung« der Europäischen Union mit Sitz in Luxemburg Kredite in Höhe von mehr als einer Billion Euro vergeben. Im vergangenen Jahr hat die EIB Dar­lehen in Höhe von 60 Milliarden Euro ausgezahlt und liegt damit knapp vor der in Washington, DC., ansässigen Weltbank. Die EIB fördert mit ihren Krediten vor allem den Ausbau von Infrastruktur, Projekte zur regionalen Entwicklung und den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Letzterer soll nach den Plänen der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), eines der wichtigsten Ziele der EU in den kommenden Jahren sein. Von der Leyen will, dass die EU in den nächsten fünf Jahren eine Billion Euro für den Klimaschutz ausgibt. 500 Milliarden davon sollen von der EIB kommen, die selbst bis 2030 eine Billion Euro in ökologische Vorhaben investieren will. Das Geld muss sie sich zum größten Teil selbst auf dem Kapitalmarkt besorgen. Während von der Leyens Pläne noch von den EU-Staaten genehmigt werden müssen, handelt die EIB bereits.

Allerdings wird sie noch einige ­Jahre lang Gasprojekte finanzieren, die vom Europäischen Parlament vor­angetrieben werden. Die EIB will einen Bruch verhindern und trotzdem einen schnellen Umstieg auf Formen CO2-neutraler Energieerzeugung vorantreiben. Der EIB-Präsident Werner Hoyer, früher einmal FDP-Generalsekretär, sieht dazu keine Alternative. Der Klimawandel schreite so rasant voran, dass man nun schnell handeln müsse, sagte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Hoyer sagte dem Sender auch, seiner Bank gehe es darum, dass Europa bei grünen Technologien Weltspitze werde: »Ich glaube, dass man moderne Klimapolitik und wirklich den Durchbruch in der Klimapolitik nur erzielen kann mit modernsten Technologien.« Er hoffe, dass Deutschland und Europa die Chancen der ­Entwicklung sähen. »Wir werden ja den größten Teil der Vermüllung und Verschmutzung dieser Welt eben nicht in Europa finden, sondern außerhalb, aber dort werden die großen Technologien gebraucht, zu denen die Europäer und auch die Deutschen erheblich beitragen können. Deswegen muss man selbst in der Nutzung solcher Technologien auch Vorreiter sein.«

Die großen Gasversorger wie Eon sowie die Betreiber von Gaskraftwerken müssen sich trotzdem keine großen Sorgen machen: Bereits vorhandene Kraftwerke laufen weiter und die EIB ist, trotz ihrer Größe, nur eine von vielen Banken. In Zeiten, in denen viel Kapital auf den Märkten ist und Anleger wegen der Niedrigzinspolitk nach Investitionsmöglichkeiten suchen, muss niemand, der ein Gasprojekt vor allem nach dem Ausstieg aus Kohle und Atomkraft finanzieren will, fürchten, nicht genug Geld zu attraktiven Zinsen für den Bau eines Kraftwerks oder einer Pipeline zu bekommen. Denn dass die Bundesrepublik ihre Energieversorgung in absehbarer Zeit nicht nur ohne Kohle und Nuklearenergie, sondern auch ohne Gas und nur mit erneuerbaren Energien ­gewährleisten kann, ist unwahrscheinlich.

Eine ganz andere Frage ist, ob das hinsichtlich des CO2-Ausstosses in den kommenden 15 Jahren auch wünschenswert ist. Gaskraftwerke stoßen wesentlich weniger CO2 aus als Kohlekraftwerke. Ein Braun­kohlekraft bläst pro Kilowattstunde fast 1,2 Kilogramm CO2 in die Luft, ein konventionelles Stein­kohlekraftwerk 900 Gramm, ein Gaskraftwerk hingegen nur 400 Gramm. Wenn der Preis von CO2 in den nächsten Jahren steigt, könnten Gaskraftwerke also günstiger Strom produzieren als Braun- und Steinkohlekraftwerke, die dann mehr Geld für CO2-Zertifikate ausgeben müssen. Mit Gas wird sich also auch weiterhin viel Geld verdienen lassen, zumal alle Kraftwerksbetreiber hinter vorgehaltener Hand nicht von einem Erfolg der »Energiewende« ausgehen. Sie rechnen damit, dass in absehbarer Zeit ein Kapazitätsmarkt entsteht. Das Wort »Markt« kann in diesem Zusammenhang leicht überlesen werden. Im Kern geht es aber darum, die Betreiber von Kraftwerken dafür »zu bezahlen, dass sie Kraftwerke in Bereitschaft halten, um die Stromversorgung zu sichern, wenn die erneuerbaren Energien nicht genug Strom liefern.

Und was wird die EIB mit ihrem Geld machen? Sie dürfte es vor allem Ländern zur Verfügung stellen, in denen zum Beispiel die Windenergie ausgebaut werden kann, was in Deutschland wegen staatlicher Abstandsregeln und protestierender Anwohner ebenso schwierig ist wie der Bau neuer Leitungsnetze. Auf Kredite hoffen können  daher vor allem südeuropäische Länder wie Spanien, Italien, Portugal und Griechenland. Sie bekommen die Chance, in den kommenden Jahren zügig ihre Energieversorgung und ihre Leitungsnetze zu modernisieren. Dort kann ­gebaut werden, dort wird investiert werden.

Es ist allerdings gut möglich, dass das Geld der EIB in einigen Jahren auch für den Bau neuer Nuklearreaktortypen verwendet wird. Atomenergie passt, da CO2-neutral, in die neuen Förderrichtlinien der EIB. Hoyer hält sie zurzeit zwar für zu riskant – allerdings nicht in technischer Hinsicht: Die Zeitspanne, in der Reaktoren abgeschrieben werden, ist dem EIB-Präsidenten einfach zu lang.