Die ungarische Regierung schränkt die Freiheit von Theatern und der Opposition ein

Vorhang auf für Orbán

Die rechte ungarische Regierung hat die Unabhängigkeit öffentlicher Theater eingeschränkt. Auch die Rechte der politischen Opposition werden weiter beschnitten. Die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn war erneut Thema der EU.

Es war ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk an die rechte Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán: Vergangene Woche haben die Rechten mit ihrer Zweidrittelmehrheit im ungarischen Parlament im Eilverfahren ein Gesetz verabschiedet, das die staat­liche Kontrolle im Kulturbereich verstärkt. In kaum einer mit Budapest vergleichbaren Stadt gibt es so viele Theater wie dort. Nun sollen diese an die Kandare genommen werden. Ziel des Gesetzes ist es, mittels eines nationalen Kulturrats »die nationale Kultur zu bewahren und die nationale Identität zu stärken«. Die Interpretationshoheit soll natürlich die Regierung haben. Diese kann nun etwa entscheiden, wer in einem subventionierten Theater Direktor wird.

Orbán folgt auf seine Art der Theorie Antonio Gramscis und will außer der politischen auch die kulturelle Hegemonie für seine »illiberale Demokratie« erlangen – oder, wie es in magyarischem Neusprech heißt: für die »christliche Freiheit«. Ein wichtiger Erfolg in seinem Kampf gegen die als »linksliberal« stigmatisierte Kultur war bereits die Vertreibung der Zentraleuropäischen Universität aus Budapest nach Wien – in der EU ein bislang beispielloses Vorgehen.

Bei den Lokalwahlen im Oktober erlitt die Regierungspartei Fidesz zwar zum ersten Mal seit neun Jahren einen Rückschlag, insbesondere in Budapest. Doch nun möchte Orbán noch deutlicher zeigen, wer der Herr im Haus ist.

Mehrere oppositionelle Abgeordnete protestierten während der Abstimmung über das neue Gesetz im Parlament unter anderem mit Theatermasken. Am Montag vergangener Woche hatten Tausende Menschen in ­Budapest gegen das Gesetz demonstriert. Gergely Karácsony, der neue linksliberale Oberbürgermeister von Budapest, sagte dort: »Die Freiheit der Theater zu beschützen, bedeutet, die Freiheit der Stadt zu verteidigen.« Eine Online-Petition gegen die staatliche Bevormundung der Theater bekam bislang über 50 000 Unterschriften.

Die beliebte Schauspielerin Judit Pogány verglich das Gesetz mit den Unterdrückungsmaßnahmen unter János Kádár zwischen 1957 und 1989. Róbert Alföldi, der ehemalige Direktor des Nationaltheaters, sprach von ­einem »kulturellen Jihad« und machte sich über die »Loyalität zur Macht« lustig, die man »Nationalstrategie« nenne.

Doch nicht nur den Theatern geht es an den Kragen. Per Eilverfahren wurden vergangene Woche weitere Gesetze beschlossen, die den Spielraum der ­Opposition, der durch den rechtsextremen Parlamentspräsidenten László Kövér bereits beschränkt ist, weiter verringern. Kövér kann den Abgeordneten nun hohe Geldstrafen auferlegen oder sie von Sitzungen ausschließen, falls sie im Parlamentsgebäude »stören«. Zudem wird unter anderem das Recht auf freie Fraktionsbildung nahezu aufgehoben.

Verabschiedet wurde all das, während in Brüssel eine – auf Wunsch Ungarns geschlossene – Sitzung der EU-Europaminister zur rechtsstaatlichen Lage in Ungarn stattfand. Der ungarische Regierungssprecher Zoltán Kovács, der als Staatssekretär an dieser Sitzung teilnahm, sorgte mit zahlreichen Tweets für einen Eklat. Bereits vor Beginn der Sitzung unterstellte er, der jüdische Milliardär George Soros beherrsche die EU. Kovács twitterte: »Das Soros-­Orchester ist dabei, die Bühne zu betreten.« Später schickte er noch rund 80 weitere Tweets ab, in denen er zum Beispiel angeblich von Soros dominierten Europaministern vorwarf, die EU in »ihren von Ideologie getriebenen politischen Kampf« zu ziehen. Er beschimpfte die Ministerinnen und Minister als »Soros’ Ankläger«.

Kovács belehrte Věra Jourová, die tschechische stellvertretende Präsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für Werte und Transparenz, es sei »erbärmlich«, dass sie sich als »nutz­lose Liberale« an einer »politischen ­Hexenjagd« beteilige. Die finnische ­Europaministerin Tytti Tuppurainen, derzeit EU-Ratspräsidentin, sagte nach dieser Sitzung: »Jeder antisemitische Akt muss auf die schärfste mögliche Weise verurteilt werden.« Auch der Bruch der Vertraulichkeit der Sitzung sei »eine ernste Angelegenheit«. Sie verlangte von der ungarischen Delegation eine schriftliche Erklärung.

Orbán und seine Untergebenen setzen ihre Provokationen fort, obwohl bald über das neue, sieben Jahre geltende Budget der EU abgestimmt wird und zum Beispiel Finnland verlangt, dass die Auszahlung von EU-­Geldern mit der Respektierung der Rechtsstaatlichkeit einhergehen muss. Wenn die ungarische Regierung auch weiterhin absichtlich die Regeln der EU verletzt, könnten sich weitere Staaten dem Standpunkt Finnlands anschließen.