Biko Adelt, Kritische Juristen Leipzig (KJL), über die Bedrohung der Gemeinnützigkeit linker Vereine

»Druck ausüben«

In einer Pressemitteilung vom 10. Dezember kritisieren die Kritischen Juristen Leipzig (KJL) und das Kulturzentrum Conne Island, dass dem Verein »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten« (VVN-BdA) der Status der Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Biko Adelt von den KJL hat mit der Jungle World gesprochen.
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Warum sollten gemeinnützige Vereine überhaupt explizit politische Bildungsarbeit machen?

Als gemeinnütziger Zweck wird in Paragraph 52, Absatz 2 der Abgabenordnung (AO) unter anderem die Förderung des demokratischen Staatswesens ­angegeben. Das demokratische Staatswesen lebt davon, dass man verschiedene Positionen dargelegt bekommt, die man dann gegeneinander abwägen kann. Da ist es erforderlich, dass es Organisationen gibt, die Fakten aufarbeiten, mit denen man sich dann auseinandersetzen kann. Der Bundesfinanzhof sieht das in seinem Urteil gegen Attac vom Januar offenbar anders.

Kann dies als Präzedenzurteil genutzt werden?

Wenn ein oberstes Gericht etwas entscheidet, sind die untergeordneten Gerichte daran gebunden. Im Sinne der Rechtssicherheit bleibt auch die Rechtsprechung der obersten Gerichte über längere Zeit gleich. Deswegen gehe ich davon aus, dass dieser Fall auch anderweitig als Begründung für den Entzug der Gemeinnützigkeit von Vereinen verwendet werden wird, die einen Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben. Eine gesetzliche Klarstellung ist deshalb unumgänglich.

Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde dem VVN-BdA die Gemeinnützigkeit entzogen?

Wegen Paragraph 51, Absatz 3 der AO. Da steht, dass einer Vereinigung, die im Sinne des Bundesverfassungsschutzgesetzes ein verfassungsfeindliches Ziel verfolgt, widerlegbar die Gemeinnützigkeit abgesprochen werden kann. Widerlegbar heißt, dass die Vereinigung widerlegen muss, ein solches Ziel zu verfolgen.

Zuletzt wurde vor allem linken Vereinen die Gemeinnützigkeit entzogen. Stehen dahinter staatliche Interessen?

Über die Beweggründe der Finanzgerichte und Finanzämter kann man nur spekulieren. Das Problem im Fall des VVN-BdA ist wohl eher, dass man der Einschätzung des Verfassungsschutzes so viel Bedeutung beimisst, während es für die betroffenen Organisationen schwierig ist den geforderten »vollen Gegenbeweis« zu erbringen.

Warum ist der rechte Verein Uniter gemeinnützig, die VVN-BdA aber nicht? Gibt es einen Rechtsruck in der Justiz?

Im Fall des VVN-BdA hat kein Gericht, sondern das Finanzamt entschieden. Uniter war bisher unter dem Radar, im Gegensatz zum VVN-BdA, der im bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt wird. Im Fall Uniter gibt es eine kritische Öffentlichkeit. Es bleibt abzuwarten, ob der Verein die Gemeinnützigkeit verliert.

Ist es für linke Vereine sinnvoll, weiter um ihre Gemeinnützigkeit zu kämpfen?

Viele linke Gruppen sind nicht auf Steuerbegünstigungen angewiesen, da alles, was mit Geld zu tun hat, eher informell läuft. Bei großen Vereinen ist das anders. Diese Vereine sind auf Geld angewiesen. Da fällt eine Besteuerung der Spenden, die sie erhalten, schon stark ins Gewicht. An sich ist die Regelung der Gemeinnützigkeit sinnvoll. Es lohnt sich, um sie zu kämpfen.

Was können Vereine politisch gegen den Entzug ihrer Gemeinnützigkeit tun?

Sie können Druck auf die Politik, insbesondere das Finanzministerium, ausüben. Das geht durch eine Skandalisierung und konkrete Vorschläge, wie das Gesetz geändert werden kann. Die Allianz »Rechts­sicherheit für politische Willensbildung« fordert unter anderem eine Klarstellung, dass die Beteiligung an der politischen Willensbildung unschädlich für die Gemeinnützigkeit ist.