Flexibel emittieren

Was kümmert mich der Dax Von

Nun, da der politische Druck steigt und wieder einmal eine Klimakonferenz stattfindet, sind neue Ausreden und Schlupflöcher gefragt. Man könnte auch ernstzunehmende klimapolitische Maßnahmen ergreifen, doch dies erfordert entweder staatskapitalistische Planung oder eine als marktwirtschaftlich deklarierte Steuerpolitik, die mittels der Erhöhung des CO2-Preises die von fossilen Brennstoffen abhängigen Branchen in die Pleite treibt. Ersteres ist für fast alle Politiker und Unternehmer ein undenkbarer Tabubruch; dass auch die präferierten vorgeblich marktwirtschaftlichen Maßnahmen gewaltige ökonomische Erschütterungen verursachen werden, wenn sie ein klimapolitisch wirksames Niveau erreichen, dürfte aber den meisten von ihnen in diesem Jahr klargeworden sein. Da liegt es nahe, die diversen Formen des Emissionshandels so zu gestalten, dass man weitermachen kann wie bisher.

Zu diesem Zweck verhandelt man bei der Klimakonferenz in Madrid über die Erweiterung und zukünftige Gestaltung der clean development mechanisms (CDM) und ähnlicher »flexibler« Instrumente. Ein Staat kann Projekte zur Emissionsreduktion in einem anderen Staat finanzieren und sich auf die eigene Klimabilanz anrechnen lassen – wofür eine hypothetische Reduktion errechnet wird, indem man die Emissionen des Projekts mit einem »Baseline-Szenario« vergleicht, das angibt, wie viel angeblich ohne das Projekt emittiert worden wäre. Ein solches System lädt zur Schummelei geradezu ein, oftmals ist dies angesichts der großzügigen Kriterien aber gar nicht nötig. So kann auch ein neues Kohlekraftwerk ein CDM-Zertifikat erhalten, wenn es pro Megawattstunde weniger CO2 emittiert als ein altes.

Doch selbst wenn die Regeln für die künftige Zerti­fikatvergabe in Madrid strenger gefasst werden sollten, verzögert das Outsourcing der Emissionsreduktion den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Denn daheim die Kohlekraftwerke weiter laufen und die SUVs weiter fahren zu lassen, aber trotzdem formal seine Klimaziele zu erreichen, ist ja der Zweck der Nutzung solcher Zertifikate. Wie erfolgreich das seit 2001 praktizierte CDM-Verfahren mit seinen mittlerweile 8 000 Projekten ist, zeigt die globale Klimabilanz. Die Emissionen stiegen seitdem kontinuierlich, nur 2009 sanken sie um etwa 0,4 Gigatonnen, nachdem der Markt 2008 durch die Finanzkrise doch einmal einen Beitrag zum Klimaschutz geleistet hatte.

Gestritten wird in Madrid vornehmlich über Details. Sollen etwa nach den Regeln des Kyoto-Protokolls ausgestellte CDM-Zertifikate im Handel bleiben, wenn ein neues System etabliert wird? Das ist eigentumsrechtlich betrachtet ein diffiziles Problem. Welchen Status hat ein Wertpapier eines künstlich geschaffenen Markts, dessen Existenz und Wert von den Vorgaben nationalstaatlicher Regierungen und der UN-Bürokratie abhängt? Doch auch wenn der Markt simuliert werden muss, die Marktgläubigkeit der »internationalen Gemeinschaft« ist durch Fakten und empirische Befunde nicht zu erschüttern.