Zweiter Teil der Serie über sporttreibende Herrscher

Dancing Queens und fette Jäger

Teil zwei der Serie über sportliche Regenten handelt von dem Schlittschuhläufer Napoleon Bonaparte, der Tänzerin Maria Theresia und dem Kampfsportfanatiker Heinrich VIII.

Napoleon on Ice 
Die Herrschaft Napoleon Bonapartes fiel mitten in die sogenannte Kleine Eiszeit, die vom frühen 15. bis ins 19. Jahrhundert andauerte. In diesen Jahrhunderten, in denen es im Winter nie an zugefrorenen Wasserflächen mangelte, entwickelte sich die auch heutzutage noch gepflegte niederländische Eislaufkultur. Auch der europäische Adel und das gehobene Bürgertum entdeckten die vielen Eisflächen als Tummelplatz für Sport und Spiele. Zu den berühmtesten Eisläufern jener Zeit zählten etwa die französische Königin Marie Antoinette sowie, nach deren revolutionsbedingt blutigem Ende, auch ein Mann, dessen Ambitionen grenzenlos waren und der letztlich am ­Beharren Europas auf Grenzen scheitern sollte: Napoleon Bonaparte.

Schon an der Kadettenschule von Brienne-le-Château lernte der junge Korse das Gleiten auf Kufen, selbst in den Wirren nach der Französischen Revolution fand der Karrieresoldat die Zeit, seinem winterlichen Hobby nachzugehen. 1791 wurde ihm das beinahe zum Verhängnis, als er im Städtchen Auxerre auf dem Fluss Yonne durch das dünne Eis brach und um ein Haar ertrank.

Den Stellenwert des Eislaufens zu jener Zeit kann man auch anhand der Bücher nachvollziehen, die damals zum Thema erschienen. 1772 veröffentlichte der Brite Robert Jones den Ratgeber »The Art of Skating«, in dem der geneigte Gentleman nachlesen konnte, wie man sich auf dem Eis nicht zum Deppen machte – Gentleman, nicht Lady, wohlgemerkt! Das gemeine Volk mochte gemischtgeschlechtlich auf dem Eis herum­rutschen, die Stilberater ihrer Zeit rieten Frauen von Stand davon mit Nachdruck ab. 1813 legte der Franzose Jean Garcin mit »Le vrai patineur« (»Der wahre Eisläufer«) ein reichhaltig illustriertes Werk vor, das nicht nur die verschiedenen Stile und Figuren zeigte, sondern auch das lustige Treiben rund um die Eislaufplätze Frankreichs für die Nachwelt festhielt. Unter anderem zeigt Garcins Buch, dass Eislaufen auch in Frankreich Männersache war, während Frauen sich allenfalls in phantasievoll gestalteten Schlitten, die oft ­Sagenwesen oder wilden Tieren nachempfunden waren, über das Eis fahren ließen.

Damals bildeten sich in ganz Frankreich Vereine von Eisläufern, deren bekannteste die »Gilets rouges« (Rotwesten) waren. Napoleon selbst soll sogar während des unglückseligen Russland-Feldzugs manchen zugefrorenen Schlossteich genutzt haben, um über neue Strategien nachzudenken, während er einsam seine Runden auf den Kufen zog. Ein weiterer Napoleon, nämlich der Dritte, folgte später dem Beispiel seines Onkels und mauserte sich zu einem von der frühen Hofberichterstattung gefeierten Kunstläufer, aber das ist eine andere Geschichte. 

Maria Theresia von Österreich – die Dancing Queen 
Die Habsburger Herrscherin Maria Theresia nannte sich selbst ungern »Kaiserin«, da sie nicht ganz zu Unrecht der Meinung war, als Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn, Kroatien und Böhmen realpolitisch mächtiger zu sein als ihr Ehemann Franz Stephan, der zwar den hochtrabenden Titel »Romanum Imperator« trug, diesen aber nicht mit allzu viel weltlicher Macht unterfüttern konnte.

Als Kind lernte die spätere Regentin von jesuitischen Lehrern nicht nur Lesen, Schreiben, mehrere europäische Fremdsprachen, Philosophie und Religion, sondern auch alles, was es über das Reiten, die Jagd und die Künste zu wissen gab. Die liebste der schönen Künste war Maria Theresia das Tanztheater, und schon als junge Prinzessin gab sie zusammen mit ihren Geschwistern Vorstellungen zu Musik, die Hofkomponisten eigens dafür geschrieben hatten.

 Als sie im Alter von 18 Jahren für das Stück »Le grazie vendicate« (»Die gerächten Grazien«) übte, das sie zum Geburtstag ihrer Mutter ­aufführen wollte, schrieb der sie dabei beobachtende und vermutlich leicht verknallte Hofdichter Pietro Metastasio an seinen Bruder, »die ­Geschicklichkeit, Gelehrigkeit« sowie das »anbetungswürdige Benehmen dieser hohen Prinzessin« seien in Europa ohne Gleichen.
Die junge Thronfolgerin hätte sich am liebsten ganz dem Tanztheater gewidmet, doch als ihr Vater, Kaiser Karl VI., starb, musste sie sich zunächst dem Österreichischen Erbfolgekrieg stellen. Der endete 1748 ­gewissermaßen mit einem Unentschieden. Maria Theresia musste weite Gebiete an ihre Konkurrenten abtreten, wurde aber als recht­mäßige Thronfolgerin Karls des VI. bestätigt. Danach war sie nicht nur mit dem Regieren beschäftigt, da ihr Gatte am Geschäft der Staatsführung wenig Interesse zeigte, sondern auch mit der Geburt und Aufzucht von nicht weniger als sechzehn Kindern. Von ihren elf Töchtern und fünf Söhnen erreichten immerhin zehn das Erwachsenenalter, was man für die damalige Zeit als guten Schnitt bezeichnen könnte. Privat blieb die Herrscherin ihrer Liebe zu Bewegung und Musik treu. Sie galt vor allem bei Hofbällen als äußerst ausdauernde Tänzerin, die immer wieder Neues einstudierte und der kein Ball lange genug dauerte und kein Tanz zu wild war. 

Heinrich VIII. – der Kampfsport­fanatiker 
Im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit gab es für Adelige und gar Regenten nur zwei wirklich standesgemäße Sportarten: Turnierkämpfe und die Jagd. Beide sollten die Fähigkeiten eines Mannes als Krieger beweisen. Adelige Frauen durften zwar an der Jagd teilnehmen, hatten aber jeglichen Ehrgeiz zu zügeln und jedes Talent zu tarnen, um die Männer nicht schlecht aussehen zu lassen.
Erst im späten 18. Jahrhundert sollte sich das langsam ändern. Neben idealisierten Vorstellungen vom Ritter, der seine Untertanen gewaltsam beschützt, verdankte sich der Hang zum Kampfsport deren Wissen, all ihr Vermögen und ihre Privilegien nur dem Schwert, der Lanze und dem Bogen zu verdanken. Mehrere Bauernaufstände hatten sie diese Lektion gelehrt. Es war eine Gewaltherrschaft, weswegen die Gewalt auch das sportliche Ideal war.

Heinrich VIII. Tudor, König von England, war schon als Kind ganz vernarrt in die Ritterturniere und flehte seine Eltern an, doch auch mit Lanze, Schwert und Axt seinen Mut beweisen zu dürfen, allein: Als ­Nummer zwei in der Thronfolge wurde ihm das untersagt, da es als zu gefährlich galt. Thronfolger waren wertvoller als alles andere, was auch Heinrich später lernen sollte. Nach dem Ableben seines Vaters im Jahr 1509 bestieg Heinrich den Thron; sein älterer Bruder war sieben Jahre zuvor überraschend verstorben. Damit war die Zeit der Bevormundung für ihn vorbei. Er stürzte sich mit geradezu manischer Begeisterung in die ihm zuvor untersagten Sportarten und galt bald als gefürchteter Gegner im Turnier und als furchtloser Jäger. Dabei zog er sich immer wieder Ver­letzungen zu, von denen zwei beinahe tödlich waren.

Dass diese Verletzungen sowie Heinrichs Trunk- und Fresssucht seine Beweglichkeit bald einschränkten, war für den König kein Grund, seine zweite große Leidenschaft neben der Suche nach einer Gebärerin eines Thronfolgers, die für die gefundenen Kandidatinnen bekanntlich kein gutes Ende nahmen, aufzugeben. Heinrich ließ spezielle Sättel konstruieren, die ihm weiterhin das Reiten erlaubten, und als er auch dafür zu fett wurde, ließ er sich das Wild vor den Bogen treiben, den er von einem bequemen Sitz aus abfeuerte. Erst in seinen letzten Lebensjahren ließ er, gepeinigt von Paranoia und ­Demenz, vom Sport ab, was ihn aber nicht daran hinderte, noch Tausende Todesurteile zu unterzeichnen.