Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro gründet seine eigene Partei

Mit Gott, Familie und Knarre

Seite 3

Bei einem im Internet live gestreamten Gespräch des Radiosenders Jovem Pan saßen sich der rechte Kolumnist Augusto Nunes und der US-amerikanische Journalist Glenn Greenwald gegenüber. Nunes kam auf die Adoptivkinder Greenwalds und seines brasi­lianischen Ehemanns David Miranda zu sprechen, mit denen beide in Rio de Janeiro leben, und äußerte in homophober Weise Zweifel an der Qualität der Betreuung der Kinder. Greenwald bezeichnete dies als feige, woraufhin Nunes ihn ohrfeigte. Eduardo Bolsonaro befand, Nunes habe »in legitimer Weise seine Ehre verteidigt«. 

Das Klima sei für Journalisten in Brasilien seit den Präsidentschaftswahlen 2018 insgesamt gefährlicher geworden, stellte Greenwald fest. Die Bolsonaro-Bewegung bevorzuge, wie die meisten autoritären Formationen, Einschüchterung und Gewalt gegenüber einer zivilen Diskussion – in Bezug auf ihre Gegner im Allgemeinen, aber vor allem auf Journalisten, die sie als Hindernisse betrachte, schrieb Greenwald in der New York Times. »Sie wissen, dass Transparenz und freier Diskurs die Haupt­hindernisse dafür sind, Brasilien in seine dunkelsten Tage zurückzuführen. Je mehr sie ihr wahres Gesicht zeigen, desto mehr Widerstand haben sie erfahren. Die Aufgabe von Journalisten, der Zweck einer freien Presse ist es, dafür zu sorgen, dass diese Wahrheit klar bleibt«, so Greenwald.

Einige Hoffnung, dass Zustände wie zu Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur nicht zurückkehren, ruht derzeit auf dem Anfang November nach 580 Tagen Haft aus dem Gefängnis entlassenen ehemaligen Präsidenten Lula da Silva (Amtszeit von 2003 bis 2011). Der Oberste Gerichtshof Brasiliens hatte geurteilt, dass es unzulässig sei, in zweiter Instanz Verurteilte zu inhaftieren, solange noch nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft seien. Lula da Silva wurde daraufhin aus der Haft entlassen, bleibt aber vorbestraft und darf deswegen nicht für politische Ämter kandidieren. »Bolsonaro muss verstehen, dass er als ­Regierung für das brasilianische Volk gewählt wurde, nicht für die Militärs in Rio de Janeiro. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Militärs unser Land zerstören«, sagte Lula da Silva nach seiner Freilassung. Er wolle Brasilien »vom Wahnsinn befreien«. Am vergangenen Wochenende rief er auf dem Parteitag des PT zum Widerstand gegen Bolso­naro auf. »Im Mittelpunkt meiner Vision steht die Unterstützung der Brasilianer beim Wiederaufbau ihres Vertrauens in unsere politischen und rechtlichen Institutionen«, schrieb Lula da Silva in der Washington Post.

Greenwalds Ehemann David Miranda, ein Politiker des PSOL, schrieb im ­Guardian: »Bolsonaro und seine Bewegung wissen, dass sie die brasilianische Demokratie nicht ohne einen Vorwand beenden können. Sie brauchen Chaos, Proteste und Gewalt, um eine Wiederherstellung der Maßnahmen aus der Zeit der Diktatur zu rechtfertigen, die dann als notwendig dargestellt werden, um die Ordnung wiederherzustellen.« Das sei der gleiche ­rhetorische Rahmen, der auch für die Rechtfertigung des Militärputsches von 1964 verwendet worden sei. Bolsonaro sei entschlossen, genau das in Brasilien wieder zu tun.