Der Begriff des Extremismus ist eine ideologische Waffe

Hakenkreuz und Hufeisen

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Ihre kontinentaleuropäischen Kollegen haben es nicht so gut. Sie werden nicht nur als Links- und Rechtsradikale bezeichnet und beschimpft, sondern zu noch schlimmeren »Extremisten« gemacht. Dies geschieht mit Hilfe ­einer politologischen Theorie, die ihr Schöpfer und Erfinder, der Chemnitzer Politologe Eckhard Jesse, allen Ernstes als »Hufeisentheorie« bezeichnet hat. Diese »Theorie« hat er mit dem Zeichenstift entworfen. Er hat die linken und rechten Ränder des politischen Halbkreismodells zu einem Hufeisen erweitert. Damit will er suggerieren, dass die beiden extremistischen Parteien sich einander angenähert und ein einziges politisches Phänomen gebildet hätten – den Extremismus. Noch einmal: Das ist kein Witz. Der Extremismusforscher Jesse meint das ernst.

Die mit Halbkreisen und Hufeisen begründete Extremismusideologie ist auch nicht witzig. Sie ist falsch und ­gefährlich, weil sie dem Faschismus nützt und der Demokratie schadet. Auf der Suche nach Extremisten haben Polizei und Verfassungsschutz die ­faschistischen Aktivitäten ganzer Netzwerke von Attentätern, Mördern und deren Sympathisanten viel zu lange übersehen oder bewusst geduldet. Aufrechte Antifaschistinnen und Antifaschisten mussten sich bei ihrem Kampf gegen die extreme Rechte den Vorwurf gefallen lassen, selbst Linksextremisten ergo genauso schlimm wie Neonazis zu sein. Die AfD wurde von nicht wenigen staatstragenden deutschen Politologen noch nicht einmal als rechtsextremistisch eingeschätzt, sondern als »rechtspopulistisch« oder »rechtskonservativ« verniedlicht.

Bekämpfen muss man aber heutzutage wieder den Faschismus, nicht die Chimäre Extremismus, wobei die dazugehörige Theorie ohnehin auf den Müllhaufen der Geschichte gehört. Die Gegenwart hat sie erneut widerlegt. Wenn, wie das gerade in Thüringen geschehen ist, extremistische Parteien zusammen über 50 Prozent der abgegebenen Stimmen bekommen, befinden sie sich beim besten oder schlechtesten Willen nicht mehr an den Rändern des politischen Feldes. Sie sind in der Mitte angekommen. Das können die übrigen Parteien nicht leugnen. Sie müssen Koalitionsverhandlungen mit einer der »extremistischen« Parteien aufnehmen. Nach dem Willen der CDU-Führung darf das nicht die Linkspartei sein. Daher haben einige Mitglieder der thüringischen CDU vorgeschlagen, mit dem Faschisten Björn Höcke über ein mögliches Bündnis zu reden. Sollte das erfolgreich sein, sollten also deutsche Konservative wieder einmal bereit sein, mit Faschisten ein Bündnis abzuschließen, kann sich die Geschichte wirklich wiederholen. Vielleicht nicht als Tragödie, sondern »nur« als Farce. Doch abzuwarten, was denn nun wird, empfiehlt sich nicht.