Rumänien hat eine neue Minderheitsregierung

Der andere Orban

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Die PNL präsentiert sich als marktliberale Alternative zur Linken, befürwortet einen ausgeglichenen Haushalt und ist nicht für soziale Forderungen bekannt. Befürchtungen, die neue bürgerliche Regierung könnte Löhne oder Renten kürzen, widersprachen ihre Minister.

Die PSD ist gemessen an ihren imposanten 46 Prozent der Stimmen bei der letzten Parlamentswahl 2016 die erfolgreichste linke Partei Europas. Sie besitzt von allen sozialdemokratischen Parteien die zweitgrößte Mitgliederzahl in Europa, nach der britischen Labour-Partei und noch vor der deutschen SPD. Vor drei Jahren hatte die PSD in Rumänien eine Expertenregierung abgelöst und seither – mit vielen Regierungsumbildungen – drei Ministerpräsidenten gestellt. An der Regierung machte sie unter anderem klassische linke Politik. So stieg der Mindestlohn in nur drei Jahren von 275 auf 445 Euro, für Universitätsabsolventen auf 505 Euro. Auch die Renten wurden erhöht. Gewählt wird die PSD dementsprechend vor allem von Rentnern und ärmeren Menschen. Immer wieder zeigen die Medien, wie lokale Kader der PSD arme Rentner mit Lebensmittelausgaben zu Parteiveranstaltungen locken oder sie zum Wahllokal fahren, ­wofür diese sich dann mit ihren Stimmen erkenntlich zeigen. Die PSD hat überall ihre sogenannten Barone: lokal einflussreiche Unternehmer mit Verbindungen zur Regierung oder Leiter staatlicher Institutionen und Unternehmen. Die Sozialdemokratie ist in Rumänien eine Art Bündnis zwischen »oben und unten« gegen die Mitte, wie man es sonst kaum kennt. Das mag ihren einzigartigen Erfolg erklären. Jenseits materieller Bande vereint Partei und Wählerschaft auch die Ablehnung von Minderheiten und allzu individualistischen Lebensformen: Kommunitarismus in allen Belangen.

Die Popularität der Partei sank allerdings rapide, nachdem sie, an die Regierung gekommen, immer wieder angekündigt hatte, per Eilverordnung Korruptionsdelikte zu entkriminalisieren und eine Amnestie zu erlassen. So sollten Politiker der Partei wohl aus dem Gefängnis herausgeholt werden. Nach monatelangen Demonstrationen in zahlreichen rumänischen Städten (Jungle World 34/2018) musste die Regierung ihre Vorhaben jedoch zurücknehmen. Auch die EU hatte Druck auf Rumänien ausgeübt und das Land ­bereits in einem Atemzug mit Ungarn und Polen genannt, gegen die Verfahren wegen der Verletzung der Rechtsstaatlichkeit laufen. Wegen des Sinneswandels der Sozialdemokraten muss der ehemalige Parteivorsitzende Liviu Dragnea eine dreieinhalbjährige Gefängnisstrafe wegen Korruption absitzen (Jungle World 26/2018).

Rund vier Wochen nach der Abwahl der PSD-Regierung im Oktober wurde die neue Regierung unter Orban auch mit Stimmen einiger Abtrünniger der PSD und der Partei Pro Rumänien, einer kleinen linken Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Victor Ponta, ins Amt gewählt. Diese hatten wohl befürchtet, ihr Mandat zu verlieren, wäre keine Regierung zustande gekommen; denn dann wären Neuwahlen die Folge gewesen.