Wiederwahl von Evo Morales

Wählen statt zählen

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Bei der Beerdigung der beiden in Montero erschossenen Männer war Rubén Costas, der Gouverneur des Verwaltungsdistrikts Santa Cruz und Vorsitzende der rechten Partei Movimiento Demócrata Social, zugegen und ­beteuerte, dass die Proteste weitergehen würden: »Wir halten an unserem Traum eines gerechten Boliviens fest, mit sauberen Wahlen.« Santa Cruz ist eine Hochburg der Opposition. Es war einer der Orte, an denen Indizien für Wahlbetrug gefunden wurden; ebenso in der Bergarbeiterstadt Potosí, in der eine tiefe Spaltung der Bevölkerung zu beobachten ist. Die Bergarbeitergewerkschaft droht sich gerade in einen Flügel für und einen gegen Morales zu spalten. Ähnlich sieht es in Cochabamba aus, der viertgrößten Stadt des Landes.

Der Tod der beiden Männer hat die Polarisierung in Bolivien weiter verschärft. Die Oppositionspolitiker Costas und Mesa, der Zweitplatzierte bei den Wahlen, machen die Regierung Morales für die Morde verantwortlich. Bei Großkundgebungen in Santa Cruz und La Paz am Donnerstag voriger Woche forderten sie nicht mehr nur eine Stichwahl am 15. Dezember, sondern Morales’ Rücktritt und freie Wahlen ohne seine Teilnahme. Am Sonntag sagte Mesa, Neuwalen sollten von einem »unparteiischen Wahlgremium« organisiert und von der internationalen Gemeinschaft beobachtet werden.

Gandarillas sieht kaum Anzeichen für eine friedliche Lösung des Konflikts. Diese Einschätzung teilt auch der Sozial­arbeiter Federico Chipana aus El Alto, der wie viele Bolivianerinnen und Bolivianer lange zu Morales gehalten hat: »Hier in El Alto herrscht im Gegensatz zu La Paz beinahe Normalität. Ich glaube, dass viele nicht Teil dieser Tragödie sein wollen, die sich in Bolivien abspielt. Nun gibt es zwei Tote und es geht nicht mehr um den Wahlbetrug, sondern um den Rücktritt Evos und Neuwahlen« – das lasse den Konflikt eskalieren.

Seit Donnerstag vergangener Woche überprüft ein Team von Wahlbeobachtern und Experten der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) das Wahlergebnis und untersucht Belege für den mutmaßlichen Wahlbetrug. Die OAS hatte bereits wenige Tage nach den Wahlen für einen zweiten Wahlgang geworben, um die Lage zu beruhigen. Viele Bolivianerinnen und Boli­vianer misstrauen ihr, weil sie die Wahlüberprüfung allein mit der Regierung vereinbart hat, nicht aber an die Opposition herangetreten ist.