Proteste in Bolivien gegen eine weitere Amtszeit von Evo Morales

Morales machts noch einmal

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Im Wahlkampf betonte der MAS, es brauche Kontinuität, und berief sich auf die ökonomische Stabilität, die in Bolivien seit dem Amtsantritt von Morales im Januar 2006 herrschte. »Evo und das Volk – sichere Zukunft« heißt eine der zentralen Parolen, die überall in La Paz und El Alto an die Hauswände gepinselt und gekleistert sind. Nur sporadisch sind Plakate und Parolen der Opposition zu sehen. Carlos Mesa von der oppositionellen sozial­demokratischen Partei Frente Revolucionario de Izquierda (FRI) kritisierte die Verschleißerscheinungen der Regierung Morales. Diese unterstellte Mesa im Gegenzug, vom US-Botschafter zur Kandidatur gedrängt worden zu sein. Auch von anderen Oppositionskandidaten wie Óscar Ortiz von der Bürgerbewegung »Bolivia Dice No« (Bolivien sagt nein) und dem Christdemokraten Chi Hyun Chung, der den evangelischen Freikirchen sehr nahe steht, sind kaum Plakate zu sehen. Dennoch hatte sich der Abstand der Opposition zum Amtsinhaber in den vergangenen Wochen vor der Wahl kontinuierlich verringert.

»Evo und das Volk – sichere Zukunft«. Slogan des MAS.

Mindestens vier Prozentpunkte hätten Morales die Brände in der Amazonasregion gekostet, berichtete das kritische Online-Medium Brújula Digital am Wochenende vor den Wahlen. Sollte es zu einer Stichwahl um die Präsidentschaft kommen, was derzeit noch unklar ist, könnte sich »die Opposition zusammentun und Evo abwählen«, spekulierte Raúl Peñaranda, ehemaliger Chefredakteur von Página Siete, einer der wichtigsten Tageszeitungen Boliviens, und Redaktionsleiter von Brújula Digital. 

Morales’ Konkurrent Carlos Mesa hat die anderen Parteien nach Bekannt­gabe erster Stimmenauszählungen dazu aufgerufen, ihn in einer Stichhwahl gegen Morales zu unterstützen. Er war bereits von 2003 bis 2005 Präsident. 2003 hatte der damalige Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada zurücktreten und das Land fluchtartig verlassen müssen, Mesa war als dessen Stellvertreter nachgerückt. Sánchez de Lozadas Sturz vorausgegangen waren große Proteste gegen den Ausverkauf der bolivianischen Erdgasreserven, der so­genannte Gaskrieg. Die Proteste, vor allem in El Alto, ließ der Präsident vom Militär blutig niederschlagen, mindestens 60 Menschen wurden dabei ge­tötet. 2005 wurden Sánchez de Lozada, einige seiner Minister und Militärangehörige unter anderem wegen Völkermords angeklagt; einige von ihnen wurden später verurteilt. Sánchez de Lozada ist jedoch immer noch im Exil in den USA.

Viele Aymara, die das Gros der Bevölkerung in El Alto stellen, hegen keinerlei Sympathien für Mesa, obwohl er sich von den Militäreinsätzen gegen die Protestierenden unter seinem Vorgänger distanziert hat und 2004 ein Referendum zum Umgang zur künftigen Nutzung der Energiereserven abhalten ließ. Die Beschlüsse des Re­ferendums wurden allerdings nie vom Parlament umgesetzt und es gab Proteste gegen die Gaspolitik der Regierung Mesa, maßgeblich vom MAS. Parolen wie »Mesa lügt« zieren vor den Wahlen viele Hauswände in La Paz und El Alto.

Morales Traum einer vierten Amtszeit könnte sich noch erfüllen. Seit Sonntag gab es Proteste der Opposition gegen Wahlmanipulation, mancherorts kam es zu Ausschreitungen.


Nach Auszählung von knapp 95 Prozent der Stimmzettel hatte es noch so ausgesehen, als müsse Evo Morales in eine Stichwahl. Nach dem jüngsten Zwischenstand vom Montag kommt er jedoch auf 46,9 Prozent der Stimmen, gefolgt von Carlos Mesa mit 36,7 Prozent. Morales wäre damit im ersten Wahlgang gewählt. Nur falls ein Kandidat in der ersten Runde nicht mehr als die Hälfte der Stimmen erhält oder der Erstplatzierte nicht mindestens 40 Prozent der Stimmen und zehn Prozentpunkte Abstand zum Zweitplatzierten hat, müsste eine Stichwahl stattfinden.  Mesa kündigte an, das Ergebnis nicht anzuerkennen.