Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner

Immer Ärger mit Gockeln

Der letzte linke Kleingärtner ist ­solidarisch mit Rojava.
Kolumne Von

Na also. Jetzt hat auch der letzte linke Kleingärtner Entscheidendes dazugelernt. Unfassbar lange hat es gedauert, bis bei mir der Groschen fiel. Seit diese Kolumne erscheint, habe ich meine Hühner – mittlerweile schon die dritte Generation – morgens in ihr Gehege außerhalb des Hühnerstalls getragen. Abends liefen sie von selbst zurück, sofern es bereits dämmerte. Für sie war es ein zügiger Marsch in die fuchssichere Behaglichkeit des Hühnerstalls. Wenn ich sie früher reinlassen wollte, musste ich sie tragen. Das dachte ich zumindest. Alles Quatsch. Es reicht aus, der Hühnerbande morgens wie abends ein paar Körner in Aussicht zu stellen – mal in der offenen Hand, mal raschelnd in einer kleinen Schüssel –, und schon rasen sie hinter mir her und sprinten dorthin, wo ich sie haben will. Alle Achtung, dafür habe ich epische drei Jahre gebraucht. Aber immerhin, jetzt habe ich diese Lernstufe gemeistert. Mir kommt zugute, dass ich als Kleingärtner wenig Kontakt mit anderen habe und mich lieber in meiner hippie- und veganerfreien Filterblase bewege. Ansonsten würde mich das ­Gelächter über meine Unzulänglichkeiten ziemlich kränken. Kleingärtner sind schließlich sehr sensibel und nahe am Wasser gebaut. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft tränken sie mit ihren Tränen Generationen von Pflanzen, die der Menschheit das Überleben ­sichern. 

Wenn wir schon mal bei Hühnern sind: Auf den Philippinen gibt es die Tradition der Hahnenkämpfe. Also, ich meine die anderen Hahnenkämpfe, nicht die zwischen menschlichen Gockeln. Hähne werden darauf gedrillt, mit Klingen an den Beinen gegeneinander zu kämpfen. Tradition halt, und Tradition soll gut sein. So ähnlich wie die Heimat, die einen vor der Kälte der Moderne schützt. Beim Hahnenkampf werfen die umstehenden Hähne mit menschlichem Antlitz vorher allerhand Scheine in den imaginären Ring, mit ­denen sie auf diesen oder jenen Hahn wetten. Und los geht die Party. 

Okay, in »unseren« Breitengraden wettet man auf Fußballspiele. Mal verliert man, mal gewinnen die anderen. Alles wie im richtigen Leben. Aber, so habe ich mir gedacht, wäre die Nummer mit den Hahnenkämpfen nicht ein Kampfmittel für die Freunde der Freiheit in Nordsyrien? Was wäre, wenn die kurdische Miliz YPG ausgebildete Kampfhähne gegen die Vasallen Allahs und Erdoğans einsetzen würde? Der Überraschungseffekt dieser Hahneninvasion könnte die türkischen Superhelden in eine lange Schockstarre versetzen. Und wenn sich dann die unbesiegbaren türkischen Soldaten vor Schmerzen auf dem Boden krümmten, könnte man glatt noch eine Heerschar Hühner auf sie jagen, denen man vorher längere Zeit nichts zu essen gegeben hätte, um sie scharf zu machen. Das könnte einem zwar, wenn es dumm läuft, als Tierquälerei ausgelegt werden, aber es wäre für einen guten Zweck, die Freiheit. Meine liebe Güte, das wäre ein Gemetzel. In Lichtgeschwindigkeit würden sich die durchgeknallten Hühnchen auf die sich vor Schmerzen windenden Invasoren stürzen und sie pickenderweise ins türkische Diesseits zurückscheuchen. Als besondere Schmach würden, weil sie von weiblichen Wesen attackiert worden wären, alle Militärorden klirrend von ihnen fallen. Damit wären sie splitternackt. Ich bin mir sicher, so was können Hühner und Hähne anstellen, wenn man sie nur lässt und richtig ausbildet. Dann gäbe es weniger Pengpeng und mehr peace and love. 

Was geht im Oktober noch ab im Garten? Klar, die große Wachstumseuphorie ist vorbei. Der Endiviensalat kann ein paar Wochen für den Abend- oder Mittagstisch geerntet werden; die Zucchini wachsen noch, wenn auch langsam. Die Rote Beete hat es dieses Jahr nicht weit gebracht und bleibt im Umfang bescheiden, aber wohlschmeckend. Für die Stangen- und Buschbohnen ist es zu kalt geworden; die roten Hokkaidokürbisse haben schon bessere Zeiten erlebt. Die Kartoffeln müssen endgültig raus aus dem Boden. Erst war es monatelang viel zu trocken und das Wachstum der Pflanzen machte wie bei einer Pilgerfahrt zur inneren Erleuchtung vor Erschöpfung und innerer Einkehr viele Pausen. Pausen sind bekanntlich schlecht für den Betriebsablauf. Mittlerweile hat es geregnet, nun ist der Boden zu nass, um die Kartoffeln mit Leichtigkeit zu ernten. Es bleibt mir nichts anderes übrig, sie müssen aus dem Boden raus, damit die Wühlmäuse sie mir nicht stehlen. Als Kleingärtner kämpft man schließlich an vielen Fronten: gegen die eigene Dummheit, gegen die Feinde der Freiheit und gegen Gockel aller Art. Was gäbe ich dafür, wenn ich die Macht hätte, den Regen, der zwar nicht reichlich, aber halbwegs ausreichend fiel, über das Jahr und vor allem den Sommer zu verteilen. Träumend schlummere ich dahin, und wenn alles seinen geordneten Gang geht – Ordnung ist so wichtig wie Freiheit –, liegen wir uns in vier Wochen an dieser Stelle wieder in den Armen. Servus.