Rechtsextremismus in der Gamerszene

Auch Gamer unter den Tätern

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Neurechte Medienstrategen wie Stephen Bannon wissen die Szene für ihre politischen Ziele zu nutzen. Als Ansammlung »wurzelloser weißer Männer mit Monsterkräften« beschrieb er das Milieu, aus dem auch die antifeministische Bewegung #Gamergate und das rechtsextreme Portal Breitbart hervorgegangen sind.
»Wachsamkeit ist wichtig«, sagt Heiko Klinge. Er beobachtet, dass rechtsextreme Gruppen auch im Spielekontext strukturierter vorgehen als andere. »Aber auch das ist kein spezielles Gaming-Problem. Es gibt zum Beispiel auch Studien dazu, dass die AfD Facebook geschickter nutzt als andere Parteien.«

Wer heute Nazi-Gamer finden möchte, muss nicht lange suchen. Steam ist die größte Internet-­Vertriebsplattform für Spiele und zugleich eine Multiplayer-Community, in der Millionen Jugendliche ihre Freizeit verbringen. Moderiert wird diese nur sehr oberflächlich. So gibt es zwar ein Verbot von Hakenkreuzen, allerdings tragen knapp 500 Nutzer-Accounts den Namen »Burn the Jews« oder eine Variation davon. »Da gibt es die gleichen Probleme wie auf anderen Plattformen auch. US-Unternehmen kontrollieren ihre Plattformen nicht nach deutschem Recht, das erleben wir auf Facebook und Twitter ähnlich«, sagt Klinge. Die »Identitäre Bewegung« hat knapp 500 Interessierte in ihrer Steam-Gruppe versammelt, die Gruppe zur NPD-Kampagne »Todesstrafe für Kinderschänder« sogar über 800 Mitglieder.

Der Berliner Computerspielentwickler Jörg Reisig (»Spec Ops – The Line«, »Fermi Paradox«) vergleicht die Situation im Gaming mit der im Fußball. »Da gab es schon immer ein großes Problem mit Nazis im Stadion. Das haben Fans und Verantwortliche aber erkannt und es gibt Initiativen dagegen.« Dass es keine Kampagne wie »Nazis raus aus dem Gaming« gebe, sei ein Versäumnis. Viele Firmen hätten Angst, mit klaren Statements einen Teil ihrer Kundschaft zu vergraulen. Was die Situation im Gaming besonders diffus macht: Die Grauzone zwischen organisierten Rechtsextremen und Gamern, die einfach gerne Weltkriegs-Shooter spielen, ist groß. Der Zweite Weltkrieg ist eines der beliebtesten Szenarien der Branche und insbesondere seit dem Aufstieg der Online-Multiplayer-Titel dürfen Spieler nicht mehr nur auf Nazis schießen; Sie übernehmen auch die Rolle mordender Wehrmachtssoldaten. Gamer haben sich an den Anblick von SS-Uniformen, Stahlhelmen und Reichsadlern gewöhnt. Jakob Guhl vom Institut für Strategischen Dialog sagte im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, es gebe »zu viel Toleranz gegenüber Hatespeech, Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus« in bestimmten Gaming-Communities. Der norwegische Rechtsterrorist Anders Brei­vik hatte nicht nur ein ganzes Jahr mit »World of Warcraft« verbracht, sondern vor Gericht auch erklärt, wie ihm »Call of Duty« beim Zieltraining geholfen habe.

Ein Steam-Account mit dem Usernamen »Saint Elliot« hat ein Heiligenbild mit dem Porträt von Elliot Rodger als Profilbild. Dieser tötete 2014 sechs Menschen an der University of California und war Anhänger der in Internetforen verbreiteten frauenverachtenden Incel-Ideologie, deren Motive auch im Video des Täters von Halle vorkommen. Der Steam-Account »Arisches Blut« mit Eisernen Kreuzen im Profilnamen verdeutlicht das Problem auf der Plattform. Dieser User wurde nämlich in der Vergangenheit schon einmal verwarnt, wie Steam die Besucher von dessen Profil wissen lässt. Allerdings nicht wegen seiner rechtsextremen Einstellung, sondern weil er in einem Spiel geschummelt haben soll. Angesichts solcher Spielkameraden fällt es schwer, Horst Seehofer zu widersprechen, wenn er in Zukunft bei Gamern genauer hinsehen möchte.