HIV-Prävention wird zur Kassenleistung

Angstfrei vögeln

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Im Zusammenhang mit der Prep und Sex ohne Kondom wird nun intensiv über sexuell übertragbare Infektionen (STI) wie Syphilis, Gonorrhöe und Chlamydien diskutiert. Fakt ist, dass die gemeldeten Infektionszahlen steigen, unklar und vielschichtig sind jedoch die Gründe hierfür. Ob die Infektionen mit STI durch die vermehrte Verwendung der Prep in Kombination mit Sex ohne Kondom steigen oder langfristig durch die in der Prep-Behandlung ärztlich vorgesehenen regelmä­ßigen Tests sinken, da Infektionsketten unterbrochen werden, ist derzeit unklar. Manche Prep-Befürworter formulieren in diesen Zusammenhang, es sei nicht die Frage, ob, sondern vielmehr wann man eine STI bekomme und ob dieser Umstand wiederum lustvoll billigend in Kauf genommen werde. Zugleich mehren sich die Hinweise auf antibiotikaresistente Erreger. Fachärzte für sexuell übertragbare Krankheiten beobachten mit Sorge, wie die Anzahl von antibiotischen Behandlungen bei sexuell sehr aktiven Männern steigt. Ein gänzlicher Schutz vor der Ansteckung mit einer STI, ob mit Kondom oder ohne, ist jedoch – ohne ­gravierende Eingriffe in das Sexualleben – tatsächlich nahezu unmöglich.

In der schwulen Szene sehen sich Prep-Nutzer mit dem häufig auffallend feindselig vorgetragenen Vorwurf konfrontiert, verantwortungslos sexuell übertragbare Infektionen zu verbreiten. In sozialen Medien wird derweil von »Prep-Schlampen« gesprochen. Viele sogenannte Prepster betonen den Genuss, der, ohne die Gefahr einer Ansteckung mit HIV, mit angstfreierem, gelösterem Sex einhergeht. Auf der Homepage prepjetzt.de wird berichtet, wie befreiend es sei, sich der Last einer drohenden HIV-Infektion, der Schuldgefühle wegen den eigenen sexuellen Handlungen und Entscheidungen zu entledigen. Ob das bloße Behauptungen und Schuld und Scham weiterhin wirksam sind, bleibt dabei fraglich. Mit Blick auf HIV-positive Schwule lässt sich innerhalb der schwulen Szene und auf Dating-Portalen bereits eine gegenläufige Entwicklung feststellen. Sie verheimlichen vermehrt ihre HIV-Infektion und erklären sich zu Prep-Nutzern, um den Vorbehalten gegen HIV-Positive aus dem Weg zu gehen.

Durch die Prep besteht – in einem kleinen Teil der Welt – die Möglichkeit, mehr oder auch bereicherten, entspannteren oder selbstbestimmteren Sex zu haben und zu genießen. Es zeigt sich aber in den Debatten über die Prep auch eine gewisse Tragik schwuler Sexualität: Sie kreist weiterhin um die Prävention und Schwule sind dabei oftmals derartig mit ihrer, gleich welcher, Schutzstrategie identifiziert, dass sie gar nicht merken, wie sehr sie ihre Sexualität, sich selbst und andere disziplinieren.