Besuch einer Herberge in der ecuadorianischen Stadt Cuenca, in der venezolanische Flüchtlinge unterkommen

Unerwünschte Gäste

Seite 4 – Als Diebe und Kriminelle stigmatisiert

Doch dies sei selten der Fall, und für Jugendliche aus Venezuela sei die Situation oft noch prekärer, so Montero. »Sie haben kaum Perspektiven, werden im besten Fall als billige Arbeitskräfte in der Gastronomie ausgebeutet, müssen oft ein oder auch mehrere Tage unentgeltlich auf Probe arbeiten. Es gibt Unternehmer, die die Notlage hemmungslos ausnutzen«, kritisiert der Lehrer.

Das bestätigt auch Perales, der zu den ersten gehört, die an diesem Abend in die Posada kommen. »Ich habe heute auf dem Bau gearbeitet und in etwa die Hälfte dessen bekommen, was die ecuadorianischen Kollegen erhielten. Nicht zum ersten Mal«, sagt er. Solche Erfahrungen machen viele der Venezolaner, die sich heute Abend in der Posada einfinden. Viel mehr als ihre Namen nimmt Montero nicht auf, denn die meisten der Übernachtungsgäste haben keine Papiere. Das gilt vor allem für die Jugendlichen, von denen mehr als zwei Dutzend gekommen sind.

Geflüchtet aus Venezuela. Rosa Medina und Rámon Rojas.

Bild:
Knut Henkel

»Papiere in Venezuela zu bekommen, ist ein extrem bürokratischer Prozess, es dauert Monate, oft Jahre, und kaum ein Jugendlicher setzt sich dem aus«, erklärt Ramón Rojas. Der freischaffende Theatermacher ist an diesem Abend gemeinsam mit seiner Bekannten Rosa Medina und zwei Kindern in der Posada, um hier zu übernachten. »Wir leben in Baños, sind aber von Zeit zu Zeit in Cuenca, um Theatervorführungen für Kinder zu veranstalten«, ­erklärt er. Er greift auf Lieder und Kostüme aus seinem Herkunftsland Venezuela zurück und kommt damit halbwegs über die Runden.

Medina hilft mit kleinen Clips, macht Werbung und kümmert sich um alles Organisatorische. »Das war auch mein Job in Venezuela, aber hier habe ich damit kaum eine Chance. Daher habe ich in der ­Altenpflege gearbeitet, auf Kinder aufgepasst und träume davon, ein kleines Geschäft aufzumachen. Aber mir fehlt das Startkapital«, sagt die 55jährige. Seit dem 21. August 2018 lebe sie in Ecuador und verfolge, wie sich die Haltung zu den Neuankömmlingen verändert. »Wir werden immer öfter als Diebe und Kriminelle stigmatisiert, vor allem die Jugendlichen«, sagt sie mit leiser Stimme. Dass es schwarze Schafe gebe, ­bestreite sie nicht; dass etliche Jugendliche betteln, passe ihr gar nicht. Aber sie weiß auch, dass es kaum Chancen auf Arbeit gibt. »Ein Kreislauf, den wir ­gemeinsam durchbrechen müssen«, meint sie.