Ist die Sitcom »Friends« schwulenfeindlich?

Homophil statt homophob

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Eine Serie wie die 1998 ebenfalls auf NBC gestartete Sitcom »Will & ­Grace« mit ihrer schwulen Hauptfigur Will ist ohne die Vorarbeit von »Friends« überhaupt nicht denkbar, denn erst das Thematisieren von Homosexua­lität in »Friends« machte die Etablierung einer tragenden homosexuellen Serienfigur erst möglich. Tatsächlich ist »Friends« viel schwuler als »Will & Grace«, ist Hauptfigur Will doch oft genug darauf bedacht, dass man ihm seine Homosexualität gar nicht erst anmerkt.

Zur Kritik in großen Ausmaß führte das nicht, was wohl daran liegt, dass Wills Identität im Gegensatz zu den Hauptfiguren bei »Friends« eine explizit homo­sexuelle ist und Identitäten heute eben sakrosankt sind. Eine dumme oder witzige Bemerkung über Homosexualität, die, wie Jane Sibbett sagt, dazu dient, Homophobie zu ent­larven, kann gar nicht mehr als solche erkannt werden, wenn selbst den fiktiven Gestalten einer Serie Sprech­orte zugewiesen werden.

Unter der harten Schale verbirgt sich ein weicher Kern: Joey, Ross und Chandler schauen Football.

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action press

Die Vorwürfe gegen »Friends« stammen allesamt aus den letzten Jahren, und schon an den Überschriften kann man ablesen, dass es sich bei den Kommentaren nicht um eine historische Analyse handelt, die den Witz in seinem Kontext untersucht, sondern dass die Beschwerden gegen »Friends« dem Trend zum Beleidigtsein entspringen. »Warum Millennials nicht über ›Friends‹ lachen können« titelte der Stern, das Magazin Vice legte mit dem Titel »Warum ist ›Friends‹ aus heutiger Sicht so problematisch?« nach und der Focus überschrieb seine Meldung mit »Millennials finden: Die Serie ›Friends‹ ist nicht zeitgemäß«.

Die durch die Serie ­gestiftete Verwirrung ist zu viel für sich als sensibel verstehende Mille­nnials.

Nur diese drei deutschsprachigen Überschriften (in den US-Medien lassen sich Dutzende mehr finden) zeigen an, dass »Friends« nicht schon immer »problematisch« war, sondern durch eine veränderte diskursive Ausgangslage geworden ist. Dies lässt sich sehr gut an der Figur von Chandlers Vater zeigen: Zu Beginn der Serie wird er als schwul eingeführt, später ist er Drag Queen, und als er dann endlich auftritt (unnachahmlich gespielt von Kathleen Turner), scheint er als Frau zu leben. Das, wofür die Queer The­ory Anfang der Neunziger plädierte, nämlich die »Instabilisierung« von Geschlecht und damit einhergehenden Rollen und Normen, ist in dieser Figur realisiert, denn die Serie vermeidet es tunlichst, ganz genau zu sagen, was Charles Bing ist: schwul, Drag Queen oder doch transsexuell? Diese Uneindeutigkeit wird für viele queere Erben zum Problem, und Martha Kaufmann erklärte reumütig dazu: »Ich glaube, es gab damals nicht das Wissen über Transmenschen, also weiß ich nicht, ob wir die richtigen Begriffe benutzt haben. Ich weiß nicht, ob ich damals die richtigen Begriffe gekannt hätte.«

Aber wie soll Kaufmann als Serienchefin die »richtigen« Wörter kennen und benutzen, wenn es sie damals überhaupt nicht in der Form gab? Abgesehen von den Begrifflichkeiten, aus dem Spiel mit Sexualität und Geschlecht ist mittlerweile eine detektivische Geschlechtsrecherche geworden: Auf dem Internetportal Reddit gibt es allen Ernstes eine Diskussion darüber, »was« Chandlers Vater denn nun »wirklich« sei. Ein Diskutant schreibt, er beziehungsweise sie sei definitiv Transgender, weil sie Brustimplantate zu haben scheint. Diese angeblichen Brustimplantate sind keine, sondern gehören zu ­Kathleen Turner, und so antwortet ein anderer User folgerichtig: »Das liegt daran, dass Kathleen Turner Brüste hat!« Diese durch die Serie ­gestiftete Verwirrung ist zu viel für sich als sensibel verstehende Mille­nnials.