נושא - Mizrahische Juden gewinnen in Israel kulturell und politisch an Bedeutung

Israels Kampf der Kulturen

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Die Mizrahim hatten es zunächst oft schwer in Israel. Rabbiner und Familienoberhäupter, die den Juden in der ara­bischen Welt Orientierung geboten hatten, besaßen in Israel nicht mehr die gewohnte Autorität. Welten lagen zwischen den patriarchalen Strukturen der jüdischen Gemeinden in Nordafrika und im Orient und den Idealen der ­zionistischen Pioniere, deren sozialistische Kibbuzim die Familie auflösen sollten. Einwanderer aus den arabischen Ländern konnten in Israel oft ihren erlernten Berufen nicht mehr nachgehen und viele Familienväter ihre Familien nur noch schlecht oder gar nicht mehr allein versorgen. Jugendliche aus dieser Gruppe gerieten häufig mit der Polizei in Konflikt.

Die Juden aus den arabischen Ländern wurden oft in sogenannten Entwicklungsstädten in zuvor kaum oder von im Krieg von 1947/1948 geflüchteten Palästinensern bewohnten Gegenden angesiedelt. So sollte in den ersten Jahren nach der Staatsgründung die Bevölkerung gleichmäßiger über den neuen Staat verteilt werden. Vielen dieser Siedlungen fehlten wesentliche wirtschaftliche, soziale und infrastrukturelle Grundlagen.

1959 erschoss Polizei in Haifas Stadtteil Wadi Salib einen marokkanischen Einwanderer. Daraufhin kam es in mehreren Städten zu Ausschreitungen, in deren Verlauf Mizrahim Gebäude der regierenden Partei Mapai und der Histadrut angriffen. Anfang der siebziger Jahre brachen erneut Proteste aus, beginnend im Stadtteil Musrara in Jerusalem. Auslöser war die vermeintliche Besserbehandlung von Juden aus der Sowjetunion, die ab Ende der sechziger Jahre in großer Zahl nach Israel einwanderten. Juden marokkanischer Herkunft führten die Proteste an.

Die Situation der Juden aus Nordafrika und dem Nahen Osten trug 1977 zu einem grundlegenden politischen Wandel bei. Der von Menachem Begin geführten Partei Likud gelang es, die Nachfolgepartei der Mapai, die Avoda, zu stürzen und der aschkenasischen politischen Hegemonie ein Ende zu setzen. Seinen Wahlsieg verdankte der Likud der Unterstützung der Mizrahim.

Seine besten Wahlergebnisse erzielt der Likud noch immer in den Entwicklungsstädten. Der Gewerkschaftsfunktionär Eli Holzmann sagte der Jungle World, die Histadrut habe 2015 gekündigte Arbeiter des israelischen Konzerns Israel Chemicals Ltd. in Dimona unterstützt. Die Arbeiter hätten bei den Protesten öffentlich ihre Likud-Parteibücher zerrissen. Nach der Wahl im selben Jahr fragte Holzmann die Arbeiter, für wen sie gestimmt hätten. Sie sagten, für den Likud, denn sie hätten »nicht anders gekonnt«. Der Internet-Zeitung Times of ­Israel sagte ein Kritiker Netanyahus aus Dimona, er habe Menschen dort sagen hören, sie würden Netanyahu dafür wählen, was die Arbeitspartei ihren Großeltern angetan habe. Das Verhältnis zwischen den mizrahischen Wählern und dem Likud, der selbst nie von Mizrahim angeführt wurde, ist dennoch nicht von Partizipation geprägt. Die Politiker der Partei verstehen sich vielmehr als Sprachrohr der Mizrahim.