Gespräch mit der Schriftstellerin Lizzie Doron

»Ich will etwas anderes als den Status quo«

In Israel waren ihre Bücher über den Holocaust Bestseller. Seit Lizzie Doron die Besatzung thematisiert, ist sie für israelische Verlage keine interessante Autorin mehr. Mit der Jungle World spricht sie über den Schatten des Holocaust, den Boykott israelischer Schriftsteller durch BDS und die Kraft einer israelisch-palästinensischen Freundschaft.
Interview Von

Gestern haben Sie Ihr Buch »Sweet Occupation« im Museum für islamische Kunst in Jerusalem vorgestellt. Das Buch erschien bereits vor über zwei Jahren in Deutschland. Es hieß damals, dass kein ­israelischer Verlag an einer Veröffentlichung interessiert sei. Wie kommt es, dass das Buch jetzt auf Hebräisch vorliegt?
Es war eine Entscheidung des Goethe-­Instituts in Israel. Sie haben in die Wege geleitet, dass das Buch in der Reihe »Texte für die Zukunft« im Resling-Verlag in Tel Aviv herausgegeben wird. Ich bin nicht sicher, ob sie zu Beginn wussten, dass ich eine israelische Autorin bin. Vielleicht hielten sie mich für eine Deutsche, da ich eine Stimme in der deutschen Literaturwelt habe.

Im Buch geht es um das palästinensisch-israelische Verhältnis, die Besatzung und den Beginn einer Freundschaft. Wenn es ohne das Goethe-Institut das Buch auf Hebräisch nach wie vor nicht geben würde: Hat also die israelische Leserschaft kein Interesse am Besatzungsthema und an seinen Auswirkungen auf den Alltag?
Mir wurde gesagt, es sei weder die richtige Zeit noch das richtige Thema. Niemand interessiert sich dafür, dass der Feind eine Rolle in unserem Alltag spielt. Wir sind mehr mit anderen Problemen, unseren Ängsten, Traumata und Erinnerungen beschäftigt und dem tiefen Glauben, dass ­jeder die Juden hasst. Es ist sehr zynisch, das zu sagen, aber wir feiern gewissermaßen unsere Opferrolle. Wir versuchen, unser Verhalten, die Besatzung, den Hass zu rechtfertigen – wofür wir allerdings sehr gute Gründe haben. Wir lassen uns von diesem Narrativ leiten und sind gegenüber alternativen Narrationen, die unsere Gefühle oder unsere Rechtfertigung verändern könnten, nicht offen genug.

Ist das der Grund, warum Sie sagen, Sie fühlen sich, als lebten Sie im Exil?
Ja, als Schriftstellerin tue ich das auf eine Art. Denn in Deutschland habe ich die größte Leserschaft, ich bekomme eine Bühne für meine Botschaften und kann meine Werte, Träume und Geschichten teilen. Aber ich habe keinen deutschen Pass. Ich reise jedes Mal mit einem zeitlich begrenzten Touristenvisum ein. Israel dagegen ist mein Land. Hier habe ich einen Pass, eine Identität und meine Familie. Doch ich muss sehr aufpassen. Ich kann hier nicht offen über meine Literatur sprechen, über meine neue Sichtweise auf die Besatzung. Es ist zum Beispiel sehr schwierig, meine palästinensischen gemeinsam mit meinen israelischen Freunden zum Essen einzuladen.
In Berlin geht das. So habe ich sozusagen zwei Heimaten.