נושא - In Israel bestimmt die Herkunft das Wahlverhalten stark

Die Herkunft wählt mit

Wenn in Israel, wie am 17. September, Wahlen stattfinden, bestimmen nicht nur politische Einstellungen, wer wem seine Stimme gibt. Auch die Herkunft spielt eine große Rolle.

Für Finesse war Avigdor Lieberman bislang nicht bekannt. Ganz im Gegenteil: Der 61jährige Vorsitzende der Partei Yisrael Beiteinu, zu Deutsch »Unser Haus Israel«, stand schon immer im Ruf, ein Mann fürs politisch Grobe zu sein. Lieberman konnte mit seiner hemdsärmligen Art viele Wähler aus der Gruppe der etwa eine Million Juden gewinnen, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach Israel eingewandert sind. Das war bislang sein politisches Geschäftsmodell: sich als lautstarke Stimme der »Russen« darzustellen.

»Make Israel normal again!« lautet – bemerkens­werter­weise auf Englisch – der Slogan von Liebermans Wahlkampagne.

Doch die Wirksamkeit dieser Strategie lässt nach. Erhielt Liebermans Partei bei den Wahlen im Jahr 2009 11,7 Prozent der Stimmen und konnte 15 Abgeordnete in die Knesset entsenden, sank diese Zahl bei den Wahlen 2015 auf sechs. Bei den Wahlen im April dieses Jahres wäre Yisrael Beiteinu beinahe an der 3,25 Prozent-Hürde gescheitert, die auf Liebermans Initiative hin 2014 eingeführt worden war. Nach dieser Schlappe lehnte Lieberman es ab, einer Sechsparteienkoalition unter Führung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu beizutreten, weshalb am 17. September ein zweites Mal in diesem Jahr gewählt werden muss.

Er begründete die Absage damit, dass der Ministerpräsident kurz davor stehe, den Orthodoxen bei der Wehrpflicht für junge religiöse Männer nachzugeben. Da wolle er nicht mitmachen. »Wir sind für einen jüdischen Staat, aber gegen einen, der auf der Halacha ­basiert.« Mit diesem Verweis auf die jüdischen Religionsgesetze und den wachsenden Einfluss der Orthodoxen versuchte Lieberman, sich zum Retter des säkularen Israel zu stilisieren. »Make Israel normal again!« lautet entsprechend – bemerkenswerterweise auf Englisch – der ­Slogan seiner Wahlkampagne, der an Donald Trumps »Make America great again!« erinnern soll. Seine Partei wird als Alternative zu einer Koalition unter Beteiligung der Orthodoxen und zu einem Mitte-links-Bündnis mit den beteiligten arabischen Parteien angepriesen.

»Politische Kurswechsel sind in Israel alles andere als ungewöhnlich«, kommentierte das Magazin Foreign Policy diese Entwicklung. »Aber Avigdor ­Lieberman könnte damit auf eine Goldader gestoßen sein.« Denn auf diese Weise mache sich Yisrael Beiteinu auch für nichtrussische Wähler attraktiv, die politisch eher dem nationalistischen Lager nahestehen, aber von dem Dominanzverhalten der Orthodoxen die Nase voll haben.

In Umfragen kommt die Partei derzeit umgerechnet auf neun bis elf ­Abgeordnete, im April kam sie nur auf fünf Mandate. Lieberman könnte so zum Königsmacher aufsteigen, schreibt Foreign Policy. Und er wäre fortan weitaus weniger abhängig von Wählern aus ehemaligen Sowjetstaaten.