Babsi Tollwut über Sexismus im Deutschen Rap

»Von der Gefickten zur Fickerin werden«

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Interview Von

Du rappst: »Ich spreche sie perfekt, eure Gewaltsprache, und ficke dann dich, indem ich deine zu meiner Gewalt mache.« Braucht es mehr Gewalt gegen Sexisten?
Das ist eine gute Frage. Nein, es ist ­natürlich ein sehr doppeldeutiger Track, generell sind meine Texte eher metaphorisch als auserzählt. Ich meine eher, sich zur Wehr zu setzen und sich aus der Rolle herauszunehmen und von der Gefickten zur Fickerin zu werden. Ich verstehe genau, was die Leute machen, ich spiele damit auch. Wenn ich einen Trottel vor mir habe, der das Bedürfnis hat, den krassen Typen heraushängen zu lassen und mir unbedingt Bier kaufen will, dann nehme ich das Bier und gehe weiter. Ich verstehe, was da abgeht, ich verstehe damit umzugehen, ich verstehe die Sprache, ich höre sie mein Leben lang. Und die Gewalt, die ich erfahre, gebe ich auch zurück.

Wie ist der Song entstanden?
Den Text habe ich in diesem superheißen Sommer letztes Jahr geschrie­ben und ich hatte da echt keinen Bock mehr. Ich hab mir so viel Scheiße angehört, wurde so viel angelabert, ­angebaggert, begrapscht. Ich musste den Track einfach machen, ich muss auch irgendwo hin mit dieser Wut. Wenn du permanent so etwas erlebst, was sollst du damit machen? Es ist auch befreiend für mich, in dieser Weise auf catcalling zu antworten. Früher bin ich immer in eine Schockstarre reingerutscht, inzwischen bin ich schlagfertig und sage was.

Rapper, die in ihren Texten offen Vergewaltigungen besingen, schaffen es derzeit damit in die Charts. Ist da eine Grenze überschritten worden?
Rap ist ja nur ein Medium und zeigt auch nur, was die Leute eh denken. Wer bin ich, zu sagen, was Rap darf oder nicht darf? Ich kann eh nichts dagegen tun. Ich glaube, daran wird vor allem deutlich, wie unfassbar sexistisch und patriarchal organisiert diese Welt ist. Dagegen was zu tun, ist der Job von allen, vor allem von den Typen. Abseits der Extrembeispiele glaube ich, dass jeder seine kleinen dreckigen Ecken in sich hat, wo Machtverhältnisse verinnerlicht wurden, da muss auf jeden Fall saubergemacht werden. Aber natürlich steckt in jedem musikalischen Alter Ego auch viel von einem selbst, irgendwoher muss der Output ja kommen. Rapper wie Gzuz sind eine ­musikalische Ausformulierung der patriarchalen Verhältnisse und machen himmelschreiend klar, was es für Probleme gibt.

Neu ist misogyner Rap nicht, neu ist aber sein kommerzieller Erfolg. Wird die Stimmung in der Gesellschaft schlimmer?
Ich glaube, es wird nur anders geschockt. Es gibt eine Veränderung, auch dahingehend, dass es immer schwieriger wird zu provozieren. Es dreht sich ja alles nur darum, bekannter zu werden, immer mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Es geht um Klicks und Likes, und die müssen irgendwie erzeugt werden. Gewalt in Beziehungen, Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigungen, das ist alles nichts Neues. Es ist aber neu, dass jetzt mehr darüber geredet wird.