Magic Mushrooms als Medizin

Psychedelika statt Psychopharmaka

Zauberpilze, deren Wirkung LSD ähnelt, könnten Menschen mit schweren Depressionen helfen. Investoren in den USA wittern bereits das große Geschäft.

Don Juan war ein mutiger Mann, glaubt man seinem Schüler Carlos Castaneda, einem Schriftsteller und Ethnologen, dem man nicht viel glauben sollte: »Der grundlegende Unterschied zwischen einem normalen Menschen und einem Krieger ist, dass der Krieger alles als Herausforderung annimmt.« Ein Satz, der auch Peter Thiel gefallen dürfte. Mehr als 50 Jahre nach Veröffentlichung von Castanedas Buch »Die Lehren des Don Juan« über indianische Weisheiten, heilige Peyote-Kakteen und Magic Mushrooms will der Manager und Investor Thiel den Wirkstoff der Zauberpilze zum nächsten großen Markterfolg machen. Ganz sicher eine große Herausforderung, denn Magic Mushrooms sind fast überall auf der Welt verboten.

Aber Thiel ist nicht irgendein Investor. Der 1967 in Frankfurt am Main Geborene ist begeisterter Fan von US-Präsident Donald Trump, gründete einst gemeinsam mit Elon Musk (Tesla, SpaceX) den Bezahldienst Pay­pal und erkannte schon früh das Potential von Facebook. Thiel investierte 2016 in das britische Start-up-Unternehmen Compass Pathways. Dieses forscht daran, synthetisches Psilocybin zur Therapie bei schweren Depressionen einzusetzen. Psilocybin, der Hauptwirkstoff von Magic Mushrooms, bewirkt einen psychedelischen Rausch mit visuellen Halluzinationen, ähnlich dem LSD-Rausch.

Das Geschäft mit der Depression boomt: Allein in Deutschland stieg die Zahl der verschriebenen Tagesdosen von Medikamenten gegen Depressionen von 974 Millionen 2008 auf fast 1,5 Milliarden im Jahr 2017. Weltweit geht das Marktforschungsinstitut IMS Health von einem Marktvolumen von über 16 Milliarden Euro aus. In Industriestaaten wie der Bundesrepublik wird bei etwa jedem Fünften mindestens einmal in seinem Leben eine Depression diagnostiziert. Und die Zahl steigt, auch weil Depressionen nicht mehr so stark tabuisiert sind und Ärzte sie eher erkennen und ernst nehmen. Ein neues Medikament hätte also gute Chancen, zum Riesengeschäft zu werden.

Zauberpilze sind eine Nischendroge 

Geht es nach Thiel, soll das Psilocybin-Verbot fallen. Und es gibt in den USA erste Zeichen, dass das auch so kommen könnte: In Denver und Oakland wurde der Besitz von Magic Mushrooms Mitte dieses Jahres zumindest entkriminalisiert.

Die Idee, Magic Mushrooms als Medizin einzusetzen, ist nicht neu. Wie mit LSD wurde ab den fünfziger Jahren auch mit den Pilzen und ihrem Wirkstoff experimentiert. Sie sollten damals bei Psychosen eingesetzt werden und Krebskranken das Sterben erleichtern. Ende der Sechziger war es wegen der Verbotspolitik mit der Forschung allerdings vorbei.

Mehr Erfolg hatten die Pilze als Nischendroge. Nicht ganz so stark wie LSD und als Naturprodukt mit einem eher harmlosen Image, waren sie in Deutschland wegen einer Gesetzeslücke sogar zeitweise legal. Zwar war seit 1971 der Besitz psilocybinhaltiger Pflanzenteile verboten  –  aber Pilze sind keine Pflanzen. Diese Gesetzeslücke wurde aber spätestens 2005 geschlossen.

Auch gekocht wurde und wird mit den halluzinogenen Pilzen gerne. Im Internet finden sich Rezepte für Schokoladentrüffel, Energiekugeln und Joghurt. Für alle, die den Geschmack nicht mögen, finden sich auch Anleitungen, aus den Pilzen kleine Dragees zu machen. Wer sich die Pilze übrigens auf eine Pizza streuen möchte, riskiert die Wirkung der Zauberpilze, denn Hitze beschleunigt den Zerfall der Wirkstoffe.

Doch den ganz großen Erfolg hatten die Pilze auch als Droge nie. Weniger als ein Prozent der Deutschen haben Magic Mushrooms ausprobiert. Zwischen sechs und sieben Prozent der Bevölkerung haben Erfahrung mit Cannabis.

Einizgartige Erfahrungen 

Das bestätigt auch Bernd Werse vom Centre for Drug Research der Goethe-Universität Frankfurt. »Wir befragen regelmäßig Schüler nach ihrem Drogenkonsum. Allzu beliebt waren Magic Mushrooms nie. In den vergangenen Jahren ging der Konsum weiter zurück.« Und wer mit den Pilzen einmal experimentiert, nehme sie oft kein zweites Mal. »Wer psychoaktive Stoffe wie psilocybinhaltige Pilze zu sich nimmt, macht oft einschneidende Erfahrungen, die er nicht öfter erleben will«, sagte Werse der Jungle World. Mit Cannabis, Speed oder MDMA seien die Pilze weder in ihrer Wirkung noch in ihrer Beliebtheit bei den Konsumenten zu vergleichen. Im »Alternativen Drogenbericht«, den Werse gemeinsam mit dem Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik und der Aids-Hilfe herausgibt, spielen die Pilze denn auch keinerlei Rolle.

Werse ist dafür, den Besitz aller Drogen zu entkriminalisieren, auch den von Magic Mushrooms. Er kann sich einen legalen Verkauf an Erwachsene, allerdings mit Werbeverbot, vorstellen. Aber ob es im Fall von Magic Mushrooms auch in Deutschland dazu kommt, mag er nicht einschätzen. »Bei Cannabis geht die Diskussion nach Jahrzehnten in Richtung Legalisierung. Aber in der Debatte um die Cannabis-Legalisierung fällt häufig das Argument, alles andere, die ganzen ›harten‹ Sachen, müssten weiter verfolgt werden.«

Das medizinische Argument, sagte Werse der Jungle World, könne natürlich erfolgreich sein. Immerhin gebe es ja sogar eine Heroinabgabe an Abhängige. Das Investoren wie Thiel nun bei dem Thema mitmischen, könne allerdings ein Hindernis sein: »Dann heißt es schnell, es geht ja gar nicht um die Behandlung von Kranken, da will nur jemand schnell viel Geld machen.«

Kreativ werden oder warten

Und auch wenn die Entkriminalisierung von Magic Mushrooms in Oak­land und Denver an die Anfänge der Cannabislegalisierung erinnert, betonen Experten die Unterschiede. Der US-amerikanische Psychotherapeut Bruce Tobin sagte dem Nachrichtenportal Bloomberg im Juni: »Der Unterschied zwischen Cannabis und halluzinogenen Drogen ist in etwa so wie der zwischen konventionellen und Atomwaffen.« Er sehe auf absehbare Zeit keine Chance für eine Legalisierung. Andere Experten geben den Pilzen auch keine große Zukunft als Mittel gegen Depression, außer in einem kleinen Einsatzgebiet bei besonders schweren Fällen – und das bedeutet auch ein kleines Geschäft.

Compass Pathways, das Unternehmen, in das Thiel investiert hat, hat nun mit Versuchen an Menschen begonnen. David Nutt, ein Psychiater und Psychopharmakologe, der zeitweise auch für die britische Regierung als Berater arbeitete und mittlerweile im Dienst von Compass Pathways steht, rechnet damit, das Psilocybin 2027 als Medikament für Depressionen zugelassen wird. Da könnte allerdings der Wunsch der Vater des Gedankens sein.

Compass Pathways steht jedoch nicht alleine. Das Center for Psychedelic Research am Imperial College versucht ebenfalls, aus Psilocybin und Psilocybinersatzstoffen Medikamente zu entwickeln. Ob all diese Unternehmen Erfolg haben, steht in den Sternen. Die Fachseite Psilocybin Technology beantwortet die Frage »Wie investiert man in die Psilocybin- (oder Zauberpilz-)Industrie?« zurückhaltend: »Entweder kreativ werden oder warten.« Die entstehende »psychedelische Industrie« bietet Anlegern zwar theoretisch große Möglichkeiten, aber diese Investitionen wären zurzeit nur etwas »für Investoren mit viel Geld und großem Mut.«