Hilfsorganisation Cap Anamur

Flucht aus Vietnam

Seite 3

Auch in Deutschland gab es Kritik an der Arbeit der Retter – ähnlich wie heute. Die zivile Seenotrettung bewirke einen Sog­effekt, eine Zunahme von geflüchteten Menschen, lautete auch damals schon das Argument. Es gab Widerstände gegen die Aufnahme der Geflüchteten – aber auch Zustimmung, sei es aus antikommunistischer, sei es aus christlicher oder humanitärer Motivation.

Als Reaktion auf die humanitäre Aufnahme der Boatpeople erließ die Bundesregierung ein neues Gesetz. Ab 1980 erhielten in Westdeutschland die sogenannten Kontingentflüchtlinge, ohne Asylverfahren eine Aufenthalts- und Arbeitsgenemigung. Bis 1985 wurden fast 30 000 Menschen aus Vietnam nach diesem Gesetz aufgenommen.

Doch es gab auch weiterhin Ablehnung bis hin zu rassistischen Attacken. Im August 1980 warfen die rechts­terroristischen Deutschen Aktionsgruppen einen Brandsatz auf ein Wohnheim in der Hamburger Halskestraße ­(Jungle Word 35/2014). Der Lehrer Ngoc Nguyên aus Saigon war nur wenige Monate zuvor mit Hilfe von Cap Anamur nach Hamburg gekommen. Er und sein Zimmergenosse Anh Lân Dô starben an den Brandverletzungen. Gleichzeitig war die Hilfsbereitschaft groß: 20 Millionen D-Mark wurden über die Jahre für Cap Anamur gesammelt. »Unsere Aktion ist nie gescheitert, weil wir kein Geld mehr hatten, sondern weil die Aufnahmezusagen fehlten«, sagt Christel Neudeck. Die Geflüchteten durften in Malaysia, auf den Philippinen oder in Indonesien nur dann abgesetzt werden, wenn die Organisation eine feste Aufnahme­zusage von dritten Staaten vorweisen konnte, in die die Menschen dann ausgeflogen wurden.

Mit jedem Land musste einzeln ausgehandelt werden, wo und wie viele Geflüchtete aufgenommen wurden. »Die fehlenden Zusagen waren auch der Grund, warum wir 1982 mit 300 Geflüchteten an Bord bis nach Hamburg fuhren«, berichtet Christel Neudeck. Cap Anamur hatte keine Aufnahmezusage für die Menschen, aber die Zuversicht, dass mit Hilfe der Medien, Bildern von winkenden Schulkindern und engagierten Ehrenamtlichen eine Auf­nahme erzwungen werden könnte. Man stelle sich vor, die Kapitänin der »Sea-Watch 3«, Carola Rackete, würde heutzutage mit 53 geretteten Menschen in Hamburg einlaufen und am Terminal des Cruise Center festmachen.