Zwangsunterbringung von Behinderten

Ab ins Heim

Seite 3 – »Schlag ins Gesicht«

Auch aus dem Pflegesektor häuften sich kritische Stellungnahmen. Der stellvertretende Geschäftsführer des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, Peter Tackenberg, bezeichnete den Entwurf als »Schnellschuss«, der Präsident der rheinland-pfälzischen Pflegekammer, Markus Mai, nannte Spahns Pläne einen »Schlag ins Gesicht für die versorgten Patienten wie auch für die sie versorgenden Pflegefachpersonen«. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, kritisierte den Entwurf als Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention. Diese garantiere Menschen mit Behinderung das Recht, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben wollen. Der Gesetzentwurf sei »leider nur gut gemeint, aber schlecht gemacht«, so Dusel.

Aufgeschreckt durch die heftige Kritik von Menschen mit Behinderung versucht Spahn zu beschwichtigen. Er hat mittlerweile so viele Personengruppen als vom Gesetz ausgenommene bezeichnet, dass außer einigen Wachkomapatienten niemand mehr übrig zu bleiben scheint. Eine Differenzierung zwischen diesen Menschen und solchen, die rund um die Uhr Pflege benötigen, während sie ihre Zeit mit Arbeit, Familie, Studium und Freunden verbringen, ist jedoch in dem Gesetzentwurf gerade nicht enthalten. Anfang September läuft die Frist für Stellungnahmen der Verbände ab, ein Gespräch von Aktivistinnen und Aktivisten mit dem Minister ist für Ende dieser Woche angesetzt.

Wie abhängig die Zumutbarkeitsregel von bürokratischen Entscheidungen macht, wird den Betroffenen immer wieder vor Augen geführt. Die Ämter gewähren, oftmals nur so niedrige Beträge, dass damit ein selbständiges Leben mit Assistenz nicht möglich ist. Dies lässt sich etwa an dem Fall von Markus Igel beobachten, der seine Assistenz als Arbeitgeber selbst verwaltet. In einem seit fünf Jahren dauernden Verfahren gegen das saarländische Landesamt für Soziales bekam er am Mittwoch vergangener Woche teilweise recht: Das Gericht erkannte sein Assistenzmodell an, sprach ihm jedoch nicht das dafür nötige Geld zu. Daher wird das Verfahren vermutlich in die nächsthöhere Instanz gehen.