Der Historiker Jeffrey Herf über das Verhältnis der DDR zu Israel

Der unerklärte Krieg

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Interview Von

Wie reagierte die ostdeutsche jüdische Gemeinschaft auf dieses israelfeindliche gesellschaftliche Klima?
Nach den Prozessen der fünfziger Jahre floh ein großer Teil der ostdeutschen jüdischen Gemeinschaft in den Westen. Die Verhaftungen und Prozesse endeten in der Unterdrückung einer jeden verbalen Opposition gegen die Israel-Politik des Regimes. Ein für die deutsche Leserschaft besonders interessanter Teil meines Buchs beleuchtet die äußerst wichtige Rolle, die der Zentralrat der Juden in Deutschland damals spielte.
Hervorzuheben sind hier vor allem die Schriften und Reden von Heinz Galinski (von 1954 bis 1963 Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie von 1949 bis 1992 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Anm. d. Red.). Der Zentralrat zeigte für die Israel-Feindschaft der Neuen Linken sowie für die Ursprünge und das Ausmaß des Linksterrorismus in den siebziger Jahren besondere Aufmerksamkeit.

Sie haben auch die Reaktionen der israelischen UN-Gesandten auf die antizionistische Politik untersucht.
Eingehend beschäftig haben mich die Interventionen der israelischen UN-Botschafter, vor allem von Gideon Rafael, Abba Eban, Yosef Tekoah und Yehuda Blum. Diese hatten eine bemerkenswerte Dokumentation der terroristischen Angriffe auf Israel in der Zeit zwischen 1967 und 1989 angelegt und zudem eloquente Antworten auf die rhetorischen Attacken auf Israel bei der UN durch den ­sowjetischen Block, die arabischen Staaten und die Organisation der Islamischen Staaten gegeben. Diese Entgegnungen zeugen von Redegewandtheit und Mut, sie sind es wert, auch in Deutschland gelesen und studiert zu werden.

Sie sprechen von einer »eurozentrischen Definition der Terrorismusbekämpfung« durch die DDR. Was meinen Sie damit?
Das ist eine komplexe Angelegenheit. Die Stasi hat mit der PLO für terroristische Attacken auf Israel zusammengearbeitet, sie aber davon ab­gehalten, die Staaten des ­sowjetischen Blocks und allen voran die DDR für Anschläge auf die Bundesrepublik und Westeuropa zu nutzen. Die Stasi wusste, dass dies die Entspannungspolitik durch die USA sowie die Neue Ostpolitik der Bundesrepublik (die an Entspannung orientierte Außenpolitik der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt ab 1969, Anm. d. Red.) unterminieren würde.