Sleater-Kinney - The Center Won’t Hold

Da waren's nur noch zwei

Seite 4 – Destruktion von Rock

Obwohl man sich darüber unterhalten kann, dass die Musik von Sleater-Kinney nicht unbedingt traditionellen Songstrukturen folgt, ist die Charakterisierung als »dekonstruktiver Rock« hier doch mehr als Gegenentwurf zu dem gemeint, was man sich wohl als Machomusik vorstellen muss, von Typen, die dämlich auf ihre Gitarren eindreschen. Müssen Sleater-Kinney aber davor beschützt werden, mit denen in einen Topf geworfen zu werden? Nein. Denn Sleater-Kinney waren keine Antithese zu (männlichem) Rock, sondern seine Erfüllung in den Neunzigern.

Kaum eine Band hat sich im Laufe der Zeit mit Hilfe von Gitarren einen so eigenständigen Sound erspielt. 1996 sangen sie gar »I wanna be your Joey Ramone«, was nun nicht für Ablehnung (oder eben Dekonstruktion), sondern für Ehrerbietung spricht. Eismanns Charakterisierung scheint erst jetzt mit »The Center Won’t Hold« Realität geworden zu sein, und zwar auf gründlich misslungene Art und Weise. Vielleicht sollte man statt von Dekonstruktion lieber von Destruktion von Rock sprechen. Was man zu hören bekommt, ist eine Band, die gradezu rabiat mit ihrer eigenen Diskographie bricht, und mit ihrem bevorzugtem Instrument noch dazu: der Gitarre.

Die New York Times überschrieb ein langes Interview zum neuen Album mit Brownstein und Tucker mit »Slea­ter-Kinney haben St. Vincent um einen kreativen Funken gebeten. Das Trio explodierte.« Die Popmusikerin Annie Clark alias St. Vincent produzierte das Album. Die Zusammenarbeit klingt allerdings mehr nach einer Zurichtung als nach sprühenden Funken. Das Demo, das die Band ins Studio brachte, wurde von Clark vollkommen auseinandergenommen. »Ändert die Tonlage. Und die Texte«, mit diesen Aufforderungen wird sie zitiert.

Zur Folge hatten diese Änderungen, dass aus der einstigen Rockmusik von Sleater-Kinney pseudo-avantgardistische Popmusik geworden ist, kaum zu unterscheiden von der ihrer Produzentin. Da verwundert es beim Hören nicht mehr, dass in allen Ankündigungen und Interviews besonders stark betont wurde, dass St. Vincent die Produzentin sei. Denn streng genommen ist »The Center Won’t Hold« kein neues Sleater-Kinney-Album, sondern eine Neuver­öffentlichung von St. Vincent. Corin Tucker, eigentlich geliebt für ihre röhrende Stimme, klingt dank perfekter Abmischung nun wie die britische Ohrwurmkönigin Adele.