Ausstellung »Exil und Fotografie«

Genau an diesem Ort

Seite 2 – Feinsinnige Kompositionen und Situationskomik

Verweise auf die Verteidigungskriege gegen die Nachbarstaaten, in denen es um die Existenz Israels ging, finden sich auf den Bildern selten. Das verwundert, denn diese sind eigentlich von Anfang an Teil der ­israelischen Erfahrung und führten im Falle des Unabhängigkeitskriegs von 1948 auch dazu, dass viele arabische Bewohner Palästinas flohen oder vertrieben wurden. Israel, das war in Weissensteins Fotos vor allem ein Wunder, das, frei nach Theodor Herzl, kein Märchen blieb.

Rudi Weissenstein: David und Paula Ben-Gurion eröffnen ein neues Viertel, Tel-Aviv (1949).

Bild:
The PhotoHouse

Fotografie als Geschichtsschreibung kann man kritisieren, denn sie ist lückenhaft und ungenau. Doch Weissenstein war kein Histo­riker. Von seinem Werk in erster ­Linie dokumentarische Authentizität zu erwarten, würde den eigenständigen ästhetischen Wert der Fotos ausblenden: ihre feinsinnige Komposition und die in zahlreichen Motiven zu findende Situationskomik. Gleichwohl verweisen einige Fotos auf das zeitgeschichtliche Geschehen.

Eine Ausstellung in der Villa Grisebach in Berlin bildet diese Dimen­sionen von Weissensteins Werk ab.

Zu sehen ist eine Auswahl von 47 Fotografien aus dem etwa eine Million Negative umfassenden Weissenstein-Archiv, das derzeit von der Israelischen Nationalbibliothek digita­lisiert wird. Dazu kommen zehn Aufnahmen, die Weissenstein als Hausfotograf des Israel Philharmonic Orchestra in Tel Aviv gemacht und wie Autogrammkarten gesammelt hatte. Arthur Rubinstein, Yehudi Menuhin, Leonard Bernstein oder auch Kurt Weill und Arturo Toscanini sind darauf zu sehen, teils während der Konzerte in Aktion und oft in wenig vorteilhaften Posen. »Meine größten Erfolge« nannte Weissenstein diese mit persönlichen Widmungen versehene Sammlung.