Illegale Pushbacks an der EU-Außengrenze

Europas brutaler Türsteher

Seite 3 – »Europäische Erfolgsgeschichte«

Das örtliche Rote Kreuz von Bihać übernimmt die Versorgung der bis zu 1.000 Einwohner des Camps Vučjak. Essen gibt es zweimal am Tag, oft nicht mehr als zwei Stück Brot und eine dünne Suppe. IOM und UNHCR sind in dem Lager nicht tätig, weil sie es wegen des Standorts und der katastrophalen Bedingungen nicht anerkennen wollen. Ein ruppiger Mitarbeiter des Roten Kreuzes schreit Bewohner des Lagers an: »Warum räumt ihr euren Müll nicht weg?« Dabei liegt das Camp selbst auf einer Mülldeponie. Viele der Menschen sind verletzt, weil sie von der Polizei verprügelt wurden. Andere leiden unter entzündeten Insektenstichen. Die medizinische Versorgung übernimmt, mit bescheidenen Mitteln, ein kleines Team von Freiwilligen, das sich durch Spenden finanziert.

Das kroatische Innenministerium leugnete die illegalen pushbacks über Jahre hinweg, obwohl Hunderte Fälle von der NGO Border Violence Monitoring dokumentiert wurden, es Videoaufnahmen von den pushbacks gibt und europaweit darüber berichtet wurde. Der Schweizer Rundfunk dokumentierte die pushbacks ebenfalls und konfrontierte die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović mit den Aufnahmen. Sie gab daraufhin in einem Interview Mitte Juli zu, dass pushbacks stattfänden. Bislang hatte die Regierung dies stets dementiert. Im selben Interview sagte Grabar-Kitarović auch, dass »ein wenig Gewalt« an der kroatischen Grenze notwendig sei, um die Menschen wieder loszuwerden. In einem Bericht von Amnesty International sind die Folgen dieser Gewalt nachzulesen: Knochenbrüche und ausgeschlagene Zähne. Ein Whistleblower der kroatischen Polizei schilderte in einem Interview mit dem kroatischen Webportal Telegram.hr, dass die Gewalt gegen die Geflüchteten systematisch angewendet und von oben befohlen werde. Wer sich weigere, Gewalt einzusetzen, werde intern sanktioniert.

Trotz des systematischen Rechtsbruchs bezeichnete die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrem Antrittsbesuch in Zagreb Kroatien als »europäische Erfolgsgeschichte« und schwieg über die gewaltsamen pushbacks. Man scheint wohl ganz zufrieden damit zu sein, dass Kroatien den brutalen Türsteher Europas spielt.