Feminismus ist noch nicht am Ziel

Die unvollendete Revolution

Seite 3 – Umverteilung der Reproduktionsarbeit

Die unvollendete Revolution für Feministinnen heißt nicht einfach, dass wir noch nicht zum Ende gelangt sind (dieses aber bald in Sicht wäre), sondern dass wir es mit einer vielschichtigen und widersprüchlichen Ausangslage zu tun haben. Auch das läßt sich an der Verteilung der Sorgearbeit zeigen. Paradoxerweise haben die Erfolge der feministischen Bewegungen zum Teil zur Vertiefung ­geschlechtlicher – und nicht nur vergeschlechtlichter – Ungleichheiten bei­getragen. Denn die Durchsetzung der Gleichheitsnorm hat vielerorts dazu geführt, dass Muster der Ungleichheit dethematisiert und individualisiert werden.

In sich als modern verstehenden Paarbeziehungen mit Gleichheitsanspruch geschieht das etwa in der Form, dass eine ungleiche geschlechterspezifische Arbeitsteilung gemeinsam kaschiert oder delegiert wird – an andere, oftmals rassistischer Diskriminierung aus­gesetzte Frauen ohne reguläre Erwerbsmöglichkeit.

Mit der Abwertung der Hausfrauen(-Ehe) im Zuge der Erfolge der Zweiten Frauenbewegung ging auch eine Entwertung ihrer Tätigkeiten einher, die insbesondere in den mittleren und höheren sozialen Milieus gern ausgelagert wird – auch, da sich gesamtgesellschaftlich ein Gleichheitsverständnis durchgesetzt hat, das vor allem auf ­Erwerbsbeteiligung oder auf gleiche Chancen zur beruflichen Selbstverwirklichung von Männern und Frauen zielt. Die Fragen der Verteilung von Sorgearbeit und der gesamtgesellschaftlichen Reproduktion werden damit ­erneut vom Tisch gefegt. Vom Ende des Patriarchats zu sprechen, verschleiert daher nicht nur den Fortbestand von Herrschaft und Dominanzansprüchen, sondern auch die Prozesse der Umverteilung von Reproduktions­arbeit ­unter Frauen.

Diese genau unter die Lupe zu nehmen, hilft nicht nur, den widersprüchlichen Wandel der Geschlechterverhältnisse zu begreifen und damit etwa auch, warum, auf welche Weise und zu welchen und auf wessen Kosten sich bestimmte Frauen Machtpositionen ­erobern und Handlungsspielräume erweitern konnten. Es hilft auch, den ­gesamtgesellschaftlichen Wandel und neue Akkumulationsprozesse besser zu verstehen. Und damit im besten Fall auch zu verstehen, an welchen Orten sich emanzipatorische Kämpfe gegen patriarchale Strukturen und Hetero­sexismus entfalten müssen und welche solidarischen Bande an all diesen ­Orten zu knüpfen sind.