Fahrer verlieren ihre Jobs

»Das Scheitern schreckt ab«

Der Online-Lieferdienst Deliveroo will seinen Betrieb in Deutschland einstellen. Die Fahrer der Firma erwischt das kalt.
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Am Montag kündigte der Online-Lieferdienst Deliveroo an, den Betrieb in Deutschland in dieser Woche zu beenden. Für die Fahrerinnen und Fahrer, die für die Firma tätig sind, kam der Schritt überraschend. Keno Böhme, Projektsekretär der Kampagne »Liefern am Limit« der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG), hat der Jungle World Auskunft gegeben.

Wie viele Fahrerinnen und Fahrer betrifft der Rückzug von Deliveroo?
Nach Unternehmensangaben sind es 1.100.

Deliveroo hat den Fahrern Entschädigungszahlungen in Aussicht gestellt. Genügen diese Zahlungen, um den plötzlichen Einkommensausfall auszugleichen?
Nein. Gezahlt wird der Tagesdurchschnitt der vergangenen zwölf Wochen, multipliziert mit dem Faktor 24. Die Rider haben also 24 Tage Zeit, sich einen neuen Job zu suchen. Wir fordern 96 Tagessätze.

Besteht ein Zusammenhang zwischen der gewerkschaftlichen Gegenwehr der Deliveroo-Fahrer und dem Rückzug des Unternehmens?
Definitiv. Wir sehen in der Betriebsratsgründung, der Gründung von »Liefern am Limit« und der Zusammenarbeit mit dem Verein »Aktion Arbeitsunrecht« den Beginn einer langen Kausalkette, die mit der gestrigen Ankündigung ihr Ende gefunden hat. Vor ziemlich genau einem Jahr kündigte Deliveroo schon den Rückzug aus zehn deutschen Städten an – mutmaßlich als Nachwirkung unserer wochen- und monatelangen Berichterstattung über die Arbeitsbedingungen.

Was bedeutet der Vorgang für die zukünftige Gewerkschaftsarbeit im Bereich der Gig Economy?
Sie wird – zumindest in Bezug auf die Rider – einerseits sicherer. Das Eisen mit der Scheinselbständigkeit scheint zu heiß gewesen zu sein für die Branche. Wir gehen davon aus, dass das Scheitern von Deliveroo den Konkurrenten Lieferando davon abschrecken wird, auf ähnliche Ideen zu kommen. Andererseits sehen wir die aus der Pleite resultierende Monopolstellung von Lieferando kritisch. Lieferando gibt sich in der Öffentlichkeit gern als gewerkschafts-, betriebsrats- und arbeitnehmerfreundlich. Das ist Augenwischerei.