Puerto Rico nach dem Rücktritt von Ricardo Rosselló

Der Gouverneur geht, die Junta bleibt

Seite 2 – Gewaltphantasien gegen Frauen

Puerto Rico ist ein sogenanntes Außengebiet der USA und kein Bundesstaat. Die boricuas, wie sich die Puerto Ricaner nennen, sind US-Bürger zweiter Klasse. Sie dürfen ihren Gouverneur zwar wählen, sind aber bei Kongress- und Präsidentschaftswahlen in den USA nicht stimmberechtigt und stehen seit 2017, als angesichts eines Schuldenbergs von 74 Milliarden US-Dollar offiziell die Zahlungsunfähigkeit festgestellt wurde, unter finanzieller Zwangsverwaltung durch die USA. Dafür ist die Junta zuständig, deren Mitglieder vom US-Kongress ernannt werden. Sie hat die Korruption mit ihrer Privatisierungspolitik eher noch verstärkt. Jüngstes Beispiel ist die Festnahme von Erziehungsministerin Julia Keleher, die mehr als 100 Schulen der Insel unter der Regie der Junta schließen ließ und Privatschulen förderte.

De facto wollte sich die Regierung der bildungspolitischen Verpflichtungen entledigen. Doch nicht dafür wurde die Ministerin von FBI-Beamten Anfang Juli abgeführt, sondern weil sie öffentliche Gelder an unqualifizierte, aber politisch nützliche Vertragspartner vergeben haben soll. Ein Skandal, der nur wenige Tage vor der Veröffentlichung jener Textbotschaften bekannt wurde, die die Proteste gegen Rosselló auslösten.

In einer Chat-Gruppe bei Telegram hatten Rosselló und Mitglieder seines Führungszirkels – die jedoch nicht alle der amtierenden Regierung angehörten – sich sexistisch, homophob und rassistisch über Politikerinnen und andere Personen geäußert. Die Chat-Protokolle veröffentlichte das Zentrum für Investigativen Journalismus am 13. Juli, tags darauf begannen die Proteste.

Zu den skandalösesten Aussagen aus den 889 veröffentlichten Seiten gehörten unter anderem Gewaltphantasien gegen Frauen, darunter die Bürgermeisterin der Hauptstadt San Juan, Carmen Yulín Cruz, die Rosselló als Hure beschimpfte und die der Staatssekretär und Chief Financial Officer, Christian Sobrino, dem Chat zufolge »erschießen« wollte. Rosselló antwortete im Chat, Sobrino würde ihm damit einen »großen Gefallen« tun. Auch die Opfer des Hurrikans »María«, der im September 2017 die Insel verwüstete und einer Studie der Havard University zufolge 4.300 Tote hinterließ, verhöhnte Rosselló. »Haben wir keine Leichen mehr, die wir den Krähen vorwerfen können?« fragte er in der Chat-Gruppe.