Repression gegen russische Oppositionelle

Ausschließen und einsperren

Seite 2 – Die Machtfrage stellt sich nicht

Letzterer, Alexej Minjajlo, gehört zum Team der Oppositionpolitikerin Ljubow Sobol. Sie ist Juristin und ar­beitet für einen Fonds des Oppositionellen Aleksej Nawalnyj zur Bekämpfung von Korruption; Nawalnyj, weil vorbestraft, darf nicht bei Wahlen antreten. Sobols Kandidatur wurde wie die anderer aus formalen Gründen abgelehnt. Wer nicht von einer im Parlament vertretenen Partei aufgestellt wird, muss Unterschriften Tausender Stimmberechtigter vorlegen. Das bewältigte die Opposition mit enormem logistischem Aufwand, aber nicht alle Angaben hielten der folgenden behördlichen Prüfung stand. Es ist leicht, Unterschriften für ungültig zu erklären: Bei der Eingabe im Suchfeld des Melderegisters wird eine weibliche Endung zu einer männlichen oder einfach ein Buchstabe vertauscht – und schon lautet das Ergebnis »nicht gefunden«.

Der Moskauer Führungskreis will offenbar verhindern, dass auch nur auf lokaler Ebene kritische Kräfte in die Institutionen gelangen. Schon jetzt ist absehbar, dass einer der größten poli­tischen Strafprozesse der jüngsten Zeit bevorsteht, vergleichbar mit dem ­Bolotnaja-Fall, als 2012 ähnliche Anschuldigungen gegen Oppositionelle erhoben wurden, die gegen die Rückkehr von Wladimir Putin ins Präsidentenamt protestiert hatten. Allerdings ist die Atmosphäre eine andere, denn die Zustimmung in der Bevölkerung für Putin ist auf 49 Prozent gesunken, den tiefsten Stand, seit er Präsident ist. Die Machtfrage stellt sich vorerst trotzdem nicht.

Dennoch gehen die Proteste weiter. Am 3. August wurden mehr als 1.000 Menschen festgenommen. Wegen Beteiligung an Massenunruhen sind bereits neun Personen in Haft, dazu eine weitere, die der Gewalt gegen einen Polizisten am 3. August ver­dächtigt wird. Für den kommenden Samstag verhandeln Oppositionelle über eine legale Großkundgebung, während die Wahlkommission in Aussicht stellt, den Ausschluss des Lokal­politikers Sergej Mitrochin von der linksliberalen Partei Jabloko zurückzunehmen. Doch werden allenfalls tak­tische Zugeständnisse gemacht, die die Machtverhältnisse nicht in Frage stellen, während Repression und Schikanen andauern. So wurden Ermittlungen ­gegen Nawalnyjs Fonds wegen Geldwäsche eingeleitet.