Systemwechsel statt »Green New Deal«

Klima oder Kapitalismus

Seite 3 – Die Grünen hofieren die Wirtschaft

Die Schwierigkeiten für die Linke liegen in der Praxis und im Habitus. Ein Teil der Linken nimmt das Thema immer noch nicht ernst oder tut es als Spleen von ein paar Hippies, Esoterikern und Veganern ab. Doch die ökologische Zerstörung ist kein Schauermärchen, keine »Schändung von Mutter Erde«, sondern real, und anthro­pozentrisch aufgefasst eine Bedrohung der ökologischen Nische der eigenen Spezies.

Während der individuelle ökologische Fußabdruck mit dem Einkommen wächst, treffen die Folgen vor ­allem die subalternen Klassen, die Lohnabhängigen, Kleinbauern, ­Ärmeren und Marginalisierten, wenn die landwirtschaftlich nutzbare Fläche zurückgeht, das Trinkwasser verseucht ist, Lebensmittelpreise steigen, Mega­städte wie ­Lagos oder die Hälfte von Bangladesh im Meer zu versinken drohen. Die herrschenden Klassen könnten dann in abgeschotteten Festungen, einer Art globalem Apartheidsystem, überleben. Der Anfang ist längst gemacht, wenn die europäische »Wertegemeinschaft« das Mittelmeer in ein Massengrab verwandelt. Die Weichen für ein Jahrhundert der Barbarei sind damit bereits gestellt.

Der Widerspruch zwischen Sonntagsreden und Realpolitik ist offensichtlich, das Legitimationsdefizit groß. Das sollte Lernprozesse erleichtern. Jeder Staat fördert lukrative Branchen besonders intensiv, auch wenn sie ökologisch eine Katastrophe darstellen. Er ist der Staat des Kapitals, der schon deshalb auf funktionierende Kapitalverwertung angewiesen ist, weil die Steuereinnahmen davon abhängen. Darum können Linke wenig ändern, wenn sie in einer Regierung mitmachen. Die Grünen stehen sowieso auf der anderen Seite der Barrikade: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hofiert die Daimler AG, die hessischen Grünen segnen den Bau eines dritten Terminals für den Frankfurter Flughafen ab.