Rechtsextremismus in Europa

Ein bisschen Untergang

Rechtsextreme Parteien haben bei den Europawahlen weniger Stimmen bekommen, als befürchtet. Ein Grund zur Entwarnung ist das nicht.
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Der Untergang Europas ist vorerst ausgeblieben, jedenfalls entspricht das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament nicht den alarmistischen Prognosen. Parteiübergreifend waren die Wahlen zur »Schicksalswahl« stilisiert worden, zu einer epochalen Entscheidung, die über die Zukunft des Kontinents bestimmen würde. Das war nicht völlig aus der Luft gegriffen. Immerhin war das Bündnis rechtsextremer Parteien um den italienischen Innenminister Matteo Salvini angetreten, um die Europäische Union in einen Verbund völkisch definierter Nationalstaaten zu transformieren. Am Ende hat die »Europäische Allianz der Völker und Nationen« zwar deutlich zugelegt, aber nicht in dem Maße, wie es ihre Vertreter erwartet hatten. Von einer Mehrheit sind sie nach wie vor weit entfernt, das Bündnis kann aber vermutlich immerhin die drittgrößte Fraktion im EU-Parlament stellen.

Dass es keinen Grund zur Entwarnung gibt, zeigen vor allem die Ergebnisse in Deutschland und Österreich. Wer erwartet hatte, dass spätestens nach dem skandalösen Ibiza-Video über den ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache die FPÖ eine desaströse Niederlage erleiden würde, wurde enttäuscht. Im Vergleich zur Europawahl 2014 verlor die Partei nur etwas mehr als zwei Prozentpunkte. Dass sich die ÖVP sogar als Siegerin feiern lassen kann, ist angesichts ihrer Verantwortung für den Aufstieg der Rechtsextremen bizarr. Offenbar ist es der überwiegenden Mehrheit der FPÖ-Wähler egal, wie korrupt und kriminell ihre Vertreter sind. Sie unterwerfen sich der autoritären Bande, weil sie selbst zum Racket gehören wollen.

Der Wunsch nach einer autoritären Herrschaft ist auch im Osten Deutschlands ausgeprägt, wo die AfD zur stärksten Partei avan­cierte. Bemerkenswert ist dabei, dass die AfD die meisten Stimmen in jenen Regionen erhielt, in denen sie besonders radikal auftritt. Kommt es bei den demnächst stattfindenden Landtagswahlen zu ähnlichen Ergebnissen, ist es gut möglich, dass Rechtsextreme in die Regierungen gelangen und zumindest über Teilbereiche des staatlichen Machtapparats bestimmen können.

In anderen Teilen Europas sieht es nicht viel besser aus. In Ungarn und Polen verteidigten die rechtspopulistischen Regierungen ihre Stimmenanteile von 2014, in Italien und Frankreich feierten die Lega beziehungsweise der Rassemblement National Wahlerfolge.

Daran wird vermutlich auch der Aufstieg der Grünen zunächst wenig ändern, der vor allem in Deutschland imposant ausfiel. In dem ökonomisch stärksten Land Europas ist der Wunsch nach einer harmonischen Verbindung von Ökologie und kapitalistischer Modernisierung besonders ausgeprägt, zugleich die konservative Sehnsucht nach Heimat und Tradition. In Zukunft stellen die deutschen Grünen fast ein Drittel der gesamten grünen Fraktion im Europaparlament. Wenig spricht aber dafür, dass sich diese Entwicklung auf Länder wie Polen oder Italien übertragen lässt, wo andere Themen dominieren.

Die epochale Wende ist damit zwar vorerst ausgeblieben, die Wahlen bescherten Europa nur ein bisschen Untergang. Die Gefahr von rechtsaußen ist damit noch lange nicht vorbei. Und im Osten Deutschlands steht das Schlimmste erst noch bevor.