Coco und ich

Uhrvertrauen

Eltern haften an ihren Kindern: Neue Uhren mit Peilsendern ermöglichen es, Kinder lückenlos zu überwachen.
Kolumne Von

Einer der Gründe, sich für einen Hund statt für ein Kind zu entscheiden, ist, dass man ohne nachzudenken Fotos des kleinen Rackers bei Facebook hochladen kann. Kinder würden uns, sobald sie rechtsfähig sind, verklagen. Coco nicht, sie hat sogar einen angesagten Instagram-Account, ohne davon zu wissen und sie trägt einen Chip unter dem Fell, mit dem sie jederzeit identifiziert werden kann. Mittels einer web­basierten Überwachungskamera kann ich von überall verfolgen, was Coco ­gerade anstellt, wenn sie allein zu Hause ist. Die Cococam dient selbstver­ständlich nur dazu, die Umstände für sie zu optimieren. Alles zum Wohle des Hundes, klar! Wie bei einem Babyphone, mit dem Unterschied nur, dass dem Menschenbaby mit zunehmendem Alter ein Recht auf Privatsphäre zusteht.

Dachte ich zumindest, bis ich neulich auf eine Anzeige für eine »Uhr« stieß, die – kein Witz – »Pingonaut Panda« genannt wird. Dass diese coole »Kids Watch« die Uhrzeit anzeigt, ist allerdings nur Tarnung, in Wirklichkeit handelt es sich um einen GPS-Peilsender zur lückenlosen Kinderüberwachung. Man kann damit den Nachwuchs metergenau orten. Verlässt er ein bestimmtes Gebiet, löst dies bei den Erziehungsberechtigten Alarm aus. Urvertrauen ist gut, Uhrkontrolle besser. Damit Kinder diese elektronische Fußfessel freiwillig am Handgelenk tragen, hat man extra einen Kinofilm rund um das Product Placement gedreht: »Burg Schreckenstein 2«.

Klar, listige Kinder könnten ihre Aufseher täuschen, indem sie die Uhr einfach ablegen, während sie zum – je nach Alter – Schnullerklauen oder Kiffen den zulässigen Sicherheitsbereich verlassen. Dagegen helfen »Kids Watches«, die beim Ablegen eine Nachricht an die Eltern senden. Auch die gibt es bereits.

Zwar verdienen Kinder und ihre Daten laut Datenschutzgrundverordnung »besonderen Schutz«, doch ausgerechnet nicht vor ihren Eltern. Als ob sich sonst irgendjemand dafür interessieren würde, wo die Zwerge ihre Gummibärchen herhaben. Ich weiß: Das Ganze hat zwei Seiten. Helikoptereltern werden argumentieren, dass sie dank elektronischer Ortung ihr Kind viel beruhigter auch mal ein paar Meter au­ßer Sicht alleine laufen lassen können und diese dadurch mehr und nicht weniger Freiheit genössen – so wirbt im Übrigen auch der Hersteller der Stasi-Uhr. Aber es ist ja offensichtlich: Das bezieht sich nur aufs analoge Alleinelaufen.

Helikoptereltern würden vielleicht auch argumentieren, dass ich mal lieber ganz ruhig sein soll, mit meiner totalüberwachten Coco. Kommen wir daher zurück zu den Vorzügen der Hunde- gegenüber der Kinderhaltung. Denn es ist so: Sollte Coco eines Tages mit einem GPS-Tracker ausgestattet werden, braucht man ihr diesen nicht trickreich als »Coco-Kükeneisbärpony-Urmeluhr« anzudrehen – und das fühlt sich zumindest ehrlicher an.