Die Grünen bemühen sich um eine Annäherung an die Gewerkschaften

Es grünt im DGB

Die Grünen wollen weg vom Image der Ökopartei für Besserverdienende und bemühen sich dabei um eine Kooperation mit den Gewerkschaften.

Für die historische Parteibindung der Gewerkschaften ist die folgende Geschichte beispielhaft: Ein Gewerkschafter trat Anfang der achtziger Jahre aus der SPD aus, unter anderem hatte ihn deren Lavieren in der Atomfrage dazu bewegt. Er gehörte damals auch dem örtlichen Vorstand seiner Gewerkschaft an. Die anderen Vorstandsmitglieder, selbstverständlich allesamt in der SPD, erfuhren von seinem Austritt, und so fand er diesen in der darauf­folgenden Sitzung als Punkt auf der Tagesordnung wieder. Dass ein Gewerkschaftsfunktionär einfach so »die Partei« verlassen hatte, galt als Affront. Noch mehr trieb die Vorstandskollegen jedoch die Frage um, wo sich der Kollege künftig parteipolitisch engagieren werde: »Hoffentlich nicht bei den Kommunisten, oder noch schlimmer: bei den Grünen.«

Behandeln die Gewerkschaften weiterhin die SPD als primären Ansprechpartner in den Parlamenten, könnten sie ihren Einfluss auf politische Entscheidungen verlieren.

Die Zeiten, in denen man in den Gewerkschaften mehr Angst vor den ­Grünen hatte als vor dem Kommunismus, sind mittlerweile vorbei. Das zeigt nicht zuletzt das Treffen zwischen der Führung des DGB und dem Parteivorstand der Grünen am 5. März. Seit’ an Seit’ traten der Bundesvorsitzende der Partei, Robert Habeck, und der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann anschließend im Foyer der Berliner DGB-Bundeszentrale vor die Presse. Habeck klang wie ein Sozialdemokrat alter Schule. Er sprach sich für eine Garantierente, mehr Mitbestimmung und eine Stärkung der Tarifbindung aus. Und wo eine CO2-Steuer für den Klimaschutz Ärmere stärker belastet, solle ein Energiegeld Ausgleich schaffen, so Habeck.

Hoffmann hingegen warb, ganz im Sinn seines Gastes, für die Klimaschutzziele und forderte die Große Koalition auf, das von der Kohlekommission vorgeschlagene Konzept zum Kohleausstieg zügig zu verwirklichen. Während der DGB-Vorsitzende noch zurückhaltend von einer signifikanten Annäherung und »gemeinsamen ­Perspektiven« sprach, sieht der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, bereits eine »strategische Partnerschaft«, denn nur gemeinsam seien der ökologische und der soziale Umbau der Gesellschaft zu leisten.

Zwar sind die Gewerkschaften noch immer eng mit der SPD verbunden, die Parteiführung der Grünen steht jedoch schon länger in regem Austausch mit den Arbeitnehmervertretungen. So plant die Bundestagsfraktion einen Gewerkschaftsbeirat nach dem Vorbild des SPD-Gewerkschaftsrats einzurichten, in dem prominente Gewerkschafter die Abgeordneten beraten sollen. Vor wenigen Wochen lud die Fraktion bereits einen kleinen Expertenkreis zu Gesprächen über soziale und ökologische Themen. Teilnehmer der Runde waren auch der ­Vorsitzende der IG-Metall, Jörg Hofmann, und das DGB-Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Letztere vertrat bis 2002 die Grünen im deutschen ­Bundestag und wurde 2006 als erste Gewerkschafterin mit grünem Parteibuch in den geschäftsführenden Vorstand des DGB gewählt.

Die Partei knüpft auch enge Kontakte zu den Mitgliedsgewerkschaften des DGB. Beim Bundesparteitag im November sprach unter anderem Jörg Hofmann als Vorsitzender der größten DGB-Gewerkschaft und wichtigster Vertreter der Beschäftigten in der Automobilindustrie zu den Delegierten. Er betonte vor allem die Gemeinsamkeiten im Kampf gegen den Rechtsextremismus und in Fragen der Elektromobiliät. Mit dem Wechsel von Ralph Obermauer, vormals Mitarbeiter von Rezzo Schlauch und Jürgen Trittin, in die Grundsatzabteilung der IG Metall dürfte der Kontakt zwischen der Partei und der Metallgewerkschaft weiter ausgebaut werden. Einen intensiven Austausch pflegen die Grünen auch mit der zweitgrößten deutschen Gewerkschaft, Verdi. Deren Vorsitzender Frank Bsirske ist bereits seit 1981 Mitglied der Grünen.

Noch gibt es für die »strategische Partnerschaft« einige Hindernisse. In traditionell gut organisierten Bereichen wie der Automobilindustrie, der Chemiebranche und dem Energie­sektor, die eine hohe Tarifbindung und starke Mitbestimmung aufweisen, stoßen die Pläne der Grünen zum ökologischen Umbau bei vielen Beschäftigten auf Ablehnung. Viele Unternehmen der Ökobranche wiederum tun ­alles, um die gewerkschaftliche Mitbestimmung zu blockieren. So behindert die Biosupermarktkette Alnatura immer wieder die Wahl betrieblicher Interessenvertretungen, in gerade einmal einer von 113 Filialen existiert ein Betriebsrat. Der Biogroßhändler Dennree blockiert ebenfalls die Gründung eines Betriebsrats und weigert sich beharrlich, seine 5 900 Beschäftigten tariflich zu entlohnen. Auch bei zahlreichen Ökostromanbietern ist tarifliche Bezahlung eher die Ausnahme als die Regel. Bisher halten sich die eng mit der Öko­branche verbundenen Grünen mit der Kritik daran zurück.

Auch wenn das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Grünen also nicht ungetrübt ist, sind doch beide auf eine engere Zusammenarbeit ange­wiesen. Die Grünen machen kein Geheimnis aus ihrem Ziel, die SPD als nach der Union zweitstärkste Kraft abzulösen. In zahlreichen westdeutschen Bundesländern haben sie die SPD bereits überflügelt und auch in bundesweiten Wählerumfragen landen sie häufig vor den Sozialdemokraten. Bei der Landtagswahl in Bayern lösten sie im Herbst die SPD als größte Oppositionspartei ab und schnitten selbst unter den gewerkschaftlich organisierten Wählern besser ab als die SPD. Soll sich diese Entwicklung verfestigen, müssen die Grünen weg vom Image der Umweltpartei für Besserverdienende. Der Bundesvorstand profiliert sich deshalb verstärkt mit Sozialpolitik. Der Partei kommt dabei zugute, dass sie in weitaus geringerem Maß als die SPD für die Hartz-Reformen verantwortlich gemacht wird.

Auch bei den Gewerkschaften stehen handfeste Interessen hinter der An­näherung. Der ökologische Umbau der Industrie ist unabwendbar und wird auch von der Mehrheit der Mitglieder befürwortet. Die Gewerkschaften ­wollen die Entwicklung in ihrem Sinne mitgestalten und hoffen dabei auf das Bündnis mit den Grünen, die derzeit in neun Bundesländern in unterschiedlichen Konstellationen mitregieren.

Der Abstieg der Sozialdemokratie birgt auch für die Gewerkschaften ein großes Risiko. Behandeln sie weiterhin die SPD als primären Ansprechpartner für gewerkschaftliche Themen im parlamentarischen Betrieb, könnten sie langfristig ihren Einfluss auf politische Entscheidungen verlieren. Die Krise der Sozialdemokratie ist so zugleich eine Krise der bisherigen politischen Strategie der Gewerkschaftsführung. Und die Mär von der besseren Durchsetzungsfähigkeit gewerkschaftlicher Forderungen bei einer sozialdemokratischen Regierungsbeteiligung lässt sich ohnehin kaum noch aufrechterhalten.