Das Browser-Plug-in »News Guard« soll Fake News entlarven

Wächter gegen Fake News

Das Browser-Plug-in »News Guard« soll bald auch in Deutschland Falsch­meldungen entlarven. Das Projekt ist gut gemeint, allerdings bleibt fraglich, ob es Fake News, die mittlerweile kaum noch über klassische Nachrichtenseiten verbreitet werden, effektiv bekämpfen kann.
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Sogenannte Fake News werden unter anderem für den Wahlsieg Donald Trumps und anderer Rechtspopulisten weltweit sowie für den Aufstieg der AfD in Deutschland verantwortlich gemacht. Ob und in welchem Ausmaß Websites, die bewusst unwahre Nachrichten verbreitet haben – teils um ­gezielt politische Propaganda zu beitreiben, teils um mit reißerischen Überschriften möglichst viele Clicks zu gewinnen –, wirklich Wahlen beeinflusst haben, bleibt umstritten.

Solche Seiten sorgen in Whatsapp-Gruppen und bei Diskussionen in sozialen Medien regelmäßig für Streit, sie sind ein wichtiges Instrument derer, die im Internet hate speech betreiben und Verschwörungstheorien verbreiten. Manche reden sogar von einem Informationskrieg zur Destabilisierung der westlichen Demokratien, in dem unter anderem russische Geheimdienste eine Rolle spielen.

Längst verbreiten sich Gerüchte und Falschmeldungen auch über einfache Textnachrichten, »Story« oder Memes, die über Messenger wie Whatsapp oder in Facebook-Gruppen viral zirkulieren – oft unterstützt von Bots, die derlei Inhalte automatisiert verbreiten.

Das US-amerikanische Start-up-Unternehmen News Guard will an diesem Zustand etwas ändern und hat ein Browser-Plug-in entwickelt, das anzeigt, ob es sich bei einer Website um eine vertrauenswürdige Quelle handelt. Der Browser zeigt am oberen Rand des Bildschirms ein kleines Symbol in Form ­eines Schilds.

Sobald sich der Nutzer auf einer fragwürdigen Website befindet, zeigt dieses Symbol ein Ausrufezeichen an. Wer genauer wissen möchte, warum eine Seite als problematisch eingestuft wird, kann darauf klicken, um eine kleine Übersicht der Kriterien zu erhalten, die zur Einstufung der Vertrauenswürdigkeit benutzt werden: Veröffentlicht diese Seite wiederholt falsche Inhalte? Sind die Inhalte ordentlich recherchiert? Werden Fehler nachträglich korrigiert? Werden Meldung und Meinung klar genug voneinander getrennt?

An diesen Bewertungen arbeitet ein Team professioneller Journalisten. Es beobachtet und analysiert Tausende von Websites, jede von ihnen über meh­rere Tage hinweg, und vergibt Punkte. Als kritisch eingestuft werden Quellen, bei denen wiederholt Verstöße gegen die Kriterien seriöser journalistischer Arbeit festgestellt werden. Dann gibt das Plug-in eine Warnung aus.

Auf den ersten Blick scheint News Guard verlässlich zu arbeiten. Besucht man einschlägige Fake-News-Schleudern wie etwa das US-amerikanische Propaganda-Blog »Breitbart«, wird ­sofort eine Warnmeldung angezeigt, bei seriösen Angeboten einfach nur ein grünes Häkchen.

Allerdings steckt der Teufel wie so oft im Detail, wie der Fall der Daily Mail Ende Januar zeigte. Das britische Boulevardblatt arbeitet mit reißerischen Überschriften und nimmt es mit der Wahrheit oft nicht allzu genau. Es berichtet nicht grob falsch, neigt aber dazu, seine Geschichten für den größtmöglichen Effekt zu verdrehen.

Folgerichtig hat News Guard die Daily Mail als problematisch eingestuft. Das Blatt beschwerte sich bei den Testern von News Guard, die ihre negative Bewertung zurücknahmen. Seither wird beim Besuch der Website der Daily Mail wieder ein grünes Häkchen an­gezeigt.

Solche »Fehleinschätzungen« offenbaren grundsätzliche Probleme. Zunächst ist es gar nicht immer leicht zu beurteilen, ob eine bestimmte Nachrichtenseite als problematisch angesehen werden sollte. Auf Deutschland übertragen hieße das, dass Bild wohl anhand der gängigen Kriterien ein grünes Häkchen bekäme, obwohl seit Jahren Journalisten etwa im »Bildblog« der Zeitung Fehler und Fragwürdigkeiten nachweisen.

Wie News Guard Bild einstufen wird, ist eine Frage, die wohl bald geklärt wird: Das Unternehmen expandiert nach Deutschland und ist gerade ­dabei, auch deutschsprachige Nachrichtenseiten zu bewerten.

Aber das ist nicht das einzige Problem: Letztlich ist News Guard auch nur das Produkt einer Redaktion, die aus menschlichen Redakteuren besteht, und als solche ist sie auf Vertrauen und ­Reputation angewiesen wie jede andere Website auch. Da tun sich Fragen auf: Wer kontrolliert die Kontrolleure? Werden Menschen, die aufgehört haben, der Presse zu vertrauen, einem solchen Dienst glauben? Und welchen Gewinn bringt ein solcher Dienst den Nutzern? Bereits jetzt gibt es mehrere Projekte, die in eine ähnliche Richtung gehen.

Facebook etwa arbeitet seit 2017 mit dem Rechercheportal »Correctiv« zusammen, um einen politischen Faktencheck zu bieten. Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft haben ein Tool entwickelt, das, ähnlich wie der Spam-Filter im E-Mail-Programm, sogar automatisch arbeiten soll. Es wäre ohne weiteres denkbar, dass sich zu den Fake News in Zukunft auch Fake Guards gesellen, die Websites nach sehr eigenwilligen Kriterien bewerten. Nutzer können sich dann einen Dienst nach ihrem Geschmack aussuchen – oder gar keinen.

Studien weisen darauf hin, dass Menschen geneigt sind, vor allem Zeitungen und Meldungen zu glauben, deren Inhalt ihr eigenes Weltbild bestätigt. Menschen, die sich auf Pegida-­Demonstrationen versammeln und dort »Lügenpresse« rufen, dürften demnach eher ein Browser-Plug-in wählen, das die »Tagesschau« als Fake News einstuft – wenn sie überhaupt einem solchen Dienst trauen. Denn schließlich sind Verbreiter von Fake News häufig Menschen, die zu Verschwörungstheorien neigen, und ein Plug-in wie News Guard wäre in ihrem Weltbild vermutlich nur Teil der Verschwörung.

Ein anderes Problem will Microsoft angehen: Die Frage, ob sich ein solches Plug-in überhaupt weit genug verbreitet, um wirkungsvoll vor Falschmeldungen und Propaganda warnen zu können. Schließlich müssen User erst einmal von News Guard erfahren und das Plug-in installieren. In Microsofts Browser Edge soll die Erweiterung deshalb bald fest eingebaut sein. Derzeit ist nicht bekannt, ob weitere Browser-Anbieter diesen Schritt ebenfalls gehen werden.

Microsoft ist an der Finanzierung von News Guard beteiligt. Das Browser-Plug-in soll kostenlos bleiben und sich aus Zahlungen der großen Internetkonzerne finanzieren. Das ergibt Sinn, schließlich leiden Suchmaschinen und soziale Netzwerke immer mehr unter einem schlechten Image, weil zu viele Falschmeldungen über sie verbreitet werden. Sie haben also ein Interesse daran, dass in ihren Suchergebnissen künftig nur noch Nachrichten aus seriösen Quellen angezeigt werden, damit die Menschen ihre Angebote auch weiterhin nutzen.

News Guard könnte tatsächlich hilfreich dabei sein, Nachrichtenseiten zu bekämpfen, die Falschmeldungen verbreiten. Eine wirkliche Lösung ist es allerdings nicht, weil erkennbar fragwürdige Nachrichtenseiten der Sorte »Breitbart« nicht mehr das einzige Problem sind: Längst verbreiten sich Gerüchte und Falschmeldungen auch über einfache Textnachrichten, »Story« oder Memes, die über Messenger wie Whatsapp oder in Facebook-Gruppen viral zirkulieren – oft unterstützt von Bots, die derlei Inhalte automatisiert verbreiten. Hierbei handelt es sich gar nicht mehr um Nachrichten, die anhand journalistischer Kriterien bewertet werden können, wie etwa News Guard sie benutzt. Wo keine feste Website mit Redaktion mehr existiert, sondern nur ein unüberblickbares Netzwerk von Bots, weiß ein Dienst wie News Guard gar nicht mehr, was er überprüfen und bei welcher Website er eine Warnung anheften soll.

Ebenfalls wirkungslos ist News Guard bislang auf Youtube. Dort werden in zahlreichen Videos massenhaft Verschwörungstheorien und Propaganda verbreitet. Nur einige wenige große Youtuber lassen sich sinnvoll journalistisch überprüfen. Diese ragen jedoch aus einer Menge kleiner Youtube-Kanäle heraus, die nicht von einer zentralen Redaktion betrieben werden. So läuft News Guard Gefahr, ein Projekt zu bleiben, das lediglich vor Websites zu warnen vermag, die bereits als nicht vertrauenswürdig gelten, während heut­zutage die meisten Fake News über ganz andere Wege verbreitet werden.