Die FDP will ein verpflichtendes »Wechselmodell« für Trennungskinder einführen. Die Machbarkeit des Vorschlags ist umstritten

Nimm du die Kinder, ich nehm den Wagen

Die FDP möchte Vätern von »Trennungskindern« mehr Rechte ­zubilligen. Ein verpflichtendes Wechselmodell soll die Lösung sein.

Wenn Eltern sich trennen, wünschen sie sich, guten Kontakt zu ihren Kindern zu halten. Welche Form des Zusammenlebens nach einer Trennung am besten für die Kinder ist, hängt von verschie­denen Faktoren ab. Die Umstände der Trennung, das Alter des Kindes und die Wohnsituation der Eltern beeinflussen, wie wohl oder unwohl sich die Kinder in der neuen Situation fühlen. Die meisten getrennten Eltern wählen das Modell, bei dem das Kind bei einem Elternteil, meist bei der Mutter, lebt und das andere Elternteil in regelmäßigen Abständen sieht. Auch das Wechselmodell, bei dem das Kind abwechselnd bei beiden Eltern wohnt, wird immer häufiger praktiziert. Beim seltener praktizierten Nestmodell, wechseln sich die Eltern in der Haushaltführung ab, während die Kinder an einem Ort bleiben. Können sich Eltern jedoch nicht auf ein Modell des Zusammen­lebens einigen, muss ein Gericht über die Regelung des Umgangs entscheiden.

Die Berliner Sozialwissenschaftlerin Anita Heiliger kritisiert den Ansatz als frauenfeindlich: »Das Wechselmodell ist für mich ein Ausdruck dafür, dass das Interesse der Kinder vor Gericht kaum noch eine Rolle spielt, sondern oft nur noch der Wunsch des Vaters, gleichberechtigt zur Mutter Kontakt zu haben.«

Bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags im Februar brachte die FDP-Bundestagsfraktion ihren Antrag zur Diskussion, das Wechselmodell als gesetzlichen Regelfall zu verankern. Die FDP fordert, dass Kinder in strittigen Fällen grundsätzlich bei beiden Eltern leben sollten. Miriam Hoheisel, Bundesgeschäftsführerin des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter e. V. (VAMV), fordert hingegen konkrete Entscheidungen im Einzelfall: »Wir müssen weg von der ideologischen Diskussion, welches Modell das Beste ist, hin zu der Frage, welches Modell für jedes einzelne Kind das Beste ist. Es geht also um Vielfalt und nicht darum, Trennungsfamilien ein Leitmodell vorzuschreiben.«

Denn funktionieren kann jedes Modell; die geteilte Betreuung ist allerdings die anspruchsvollste Variante. Verena Breuer* und ihr Ex-Mann prak­tizieren das Wechselmodell mit ihren beiden Kindern seit rund fünf Jahren: »Bei uns funktioniert das super. Allerdings ist es auch mit vielen Absprachen und dem gemeinsamen Wunsch nach Konsens verbunden. Man muss ja wirklich alles koordinieren: Ferien, Feiertage, Sportkurse, Erziehungsfragen und so weiter. Das kann manchmal ganz schön stressig sein. Vor allem ­direkt nach der Trennung. Das kann ich nicht jedem empfehlen.«

Die FDP und das Bündnis Doppel­residenz.org reichten bereits Ende November 2018 eine Petition beim Deutschen Bundestag ein, in der sie fordern, die geteilte Betreuung von Trennungskindern als Leitbild im deutschen Familien­recht zu verankern. Diesem Vorschlag widerspricht die Linkspartei in einem eigenen Antrag: Sie möchte die gerichtliche Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen des Kindes vor allem im Falle häuslicher Gewalt oder von Kindesmissbrauch gesetzlich ausschließen.

Gerade bei Konflikten und mangelnder Kommunikation zwischen den Eltern sei das Wechselmodell »aus Kindesperspektive regelmäßig kritisch zu betrachten«, heißt es im Antrag der Linkspartei. Die Berliner Sozialwissenschaftlerin Anita Heiliger kritisiert den Ansatz sogar als frauenfeindlich: »Das Wechselmodell ist für mich ein Ausdruck dafür, dass das Interesse der Kinder vor Gericht kaum noch eine Rolle spielt, sondern oft nur noch der Wunsch des Vaters, gleichberechtigt zur Mutter Kontakt zu haben,« sagte sie der Welt.

Auch die Mehrkosten, die durch das Wechselmodell entstünden, müssten bedacht werden. Eine Benachteiligung des ökonomisch schlechter gestellten Elternteils solle verhindert werden, fordert die Linkspartei. Für die meist besser verdienenden Väter hat ein Wechselmodell nach Wunsch der FDP sogar noch Steuervorteile, da für beide Elternteile dann die günstige Steuerklasse 2 gelten soll. Anders als beim Residenzmodell ist beim Wechselmodel nämlich nicht ein Elternteil der Unterhaltszahler. Sind die Kinder zu gleichen Teilen bei den Eltern, wird das Einkommen beider addiert und dient als Grundlage für die Berechnung des Bedarfs des Kindes. Der besser verdie­nende Elternteil muss in größerem Umfang zum Unterhalt des Kindes beitragen als der finanziell schwächere Elternteil. Das Rechenmodell berücksichtigt allerdings nicht die beruflichen Nachteile des Elternteils, die aufgrund der Kinderbetreuung vor der Trennung entstanden sind. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Januar 2017 sind regelmäßig beide Eltern dann auch zu einer Vollzeitarbeitstätigkeit verpflichtet, da beim Wechselmodell kein Elternteil seiner Unterhaltspflicht allein durch Pflege und Erziehung des Kindes gerecht werden kann. In über 80 Prozent der Familien mit Kindern ist der Mann bislang der Hauptverdiener.

Auch Breuer* betrachtet die ökonomischen Folgen des Wechselmodells kritisch: »Es ist für keinen Elternteil einfach, seine Arbeitszeiten anzupassen. Es wäre besser, wenn schon vor einer Trennung die Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Kinderbetreuung geschaffen werden könnten. Solche Anreize würden dann auch eher dazu führen, dass sich Paare nach einer Trennung freiwillig für das Wechselmodell entscheiden würden.«

Eltern, die also ein Wechselmodell anwenden möchten, brauchen bestimmte Voraussetzungen dafür. Die Nähe der beiden Wohnungen und die Flexibilität am Arbeitsplatz gehören dazu. Wem aber die Verordnung eines solchen Modells ohne diese sozialen, ökonomischen und organisatorischen Voraussetzungen zugute kommen soll, ist strittig.

Und auch rechtlich gibt es Zweifel an der Machbarkeit des Vorschlags der FDP. Die Vorgabe eines bestimmten Betreuungsmodells sei verfassungsrechtlich bedenklich. »Politischen Bestrebungen, das Wechselmodell als gesetzliches Leitbild zu verankern, ist eine deutliche Absage zu erteilen,« sagt Maria Wersig, die Präsidentin des deutschen Juristinnenbundes. Auch Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) haben sich bereits gegen die rigide Regelung ausgesprochen.

Ein Wechselmodell, das nicht auf Freiwilligkeit beruht, könnte mehr schaden als nützen. Sozial und ökonomisch ist es in jedem Fall mit einem Mehraufwand verbunden, deren Trägerinnen in der Regel die Mütter sind.

 

*Name von der Redaktion geändert