Die Richtlinien für deutsche Rüstungs­exporte sollen gelockert werden

Da geht noch mehr

Die Kontrolle deutscher Rüstungsexporte wurde immer sehr nachsichtig gehandhabt. Nun sollen die Einschränkungen fallen.
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Heckler & Koch, laut Eigendarstellung »ein weltweit führender Hersteller von Handfeuerwaffen mit festen Wurzeln am Standort Deutschland«, fand schon früh Anerkennung selbst beim Klassenfeind. So zierte nicht etwa eine Kalaschnikow, sondern eine Maschinenpistole von Heckler & Koch das Emblem der RAF. Begehrt waren die Produkte des Rüstungsunternehmens auch in der DDR. Sturmgewehre wurden über eine Firma in Österreich nach Bangladesh geliefert, von dort transportierte man sie in die DDR – die erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen lagen vor.

Dass sogenannte Endverbleibserklärungen, mit denen ein als seriös geltender Käufer versichert, erworbene Waffen zu behalten, keineswegs sicherstellen, dass diese Waffen nicht weitergegeben werden, ist seit Jahrzehnten bekannt. Zahlreiche Beispiele gibt es auch für den nachsichtigen Umgang der Aufsichtsbehörden mit Waffenexporten an dubiose Empfänger. So war es nicht etwa ein eifriger Staatsanwalt, sondern Jürgen Grässlin, der mit dem Anwalt Holger Rothbauer Beweise für einen illegalen Waffenexport nach Mexiko sammelte und so das Verfahren gegen Heckler & Koch in Gang brachte, das am 21. Februar endete. Zwei Mitarbeiter, die Endverbleibserklärungen manipuliert hatten, wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt, Heckler & Koch muss 3,7 Millionen Euro zahlen.

Dass kein Behördenvertreter verurteilt wurde, ist juristisch korrekt, da Ignoranz keine Straftat ist, auch wenn sie tödliche Folgen hat, und eine bewusste Missachtung von Vorschriften nicht nachweisbar war. Ein guter deutscher Beamter erfüllt die in ihn gesetzten Erwartungen: Unternehmen belästigt man nicht mit akribischen Nachforschungen, ob es nun um das Schummeln bei Abgastests, Steuerbetrug, Korruption oder illegale Waffenexporte geht. Zumal der deutsche Exporterfolg so etwas wie eine Zivilreligion ist, Grundlage eines Nationalstolzes, dem der auch 2018 wieder erzielte weltweit höchste Leistungsbilanzüberschuss als Beweis dafür gilt, dass »wir« immer noch besser sind als die anderen.

Bei Rüstungsexporten tritt noch ein anderes Motiv hinzu. Je mehr Waffen ins Ausland verkauft werden, desto geringer sind die Beschaffungskosten für die eigenen Streitkräfte. Theoretisch jedenfalls, denn da die privaten Anbieter meist eine Monopolstellung und wohlwollende Verhandlungspartner haben, kommt die Ersparnis durch economies of scale und höhere Einnahmen nicht unbedingt dem staatlichen Auftraggeber zugute. Geht es um komplexe Waffensysteme, schaffen Exporte zudem Abhängigkeit. Der Käufer benötigt Experten zur Wartung und Software-Updates, sollte sich mit dem Lieferanten also nicht gänzlich überwerfen – die iranischen Ayatollahs ließen sich von solchen Erwägungen ­allerdings nicht vom Bruch mit den USA abhalten.

Ungeachtet solcher Widersprüche wirbt die Rüstungsindustrie mit diesen Argumenten und dem Verweis darauf, dass andere Staaten noch weniger Hemmungen haben, unermüdlich für eine Lockerung der Ausfuhrbeschränkungen. Der Wert der deutschen Rüstungsexporte betrug im vorigen Jahr stolze 4,8 Milliarden Euro – aber es könnte weit mehr sein, 2017 waren es noch 6,2 Milliarden Euro. Doch 2018 wurde der Rüstungsexport nach Saudi-Arabien gestoppt. Soll man wirklich auf dieses lukrative Geschäft verzichten, nur weil Kronprinz Mohammed bin Salman einen prominenten Dissidenten zer­sägen ließ? »Wir Deutschen sollten nicht so tun, als seien wir moralischer als Frankreich oder menschenrechtspolitisch weitsichtiger als Großbritannien. Wir müssen die politische Kraft aufbringen für eine verlässliche, gemeinsame Linie, die unsere Sicherheitsinteressen und unsere humanitären Prinzipien verbindet. Genauso wie unsere europäischen Partner dies auch tun«, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Sicherheitskonferenz in München.

Geht es um deutsche Wirtschafts- und Fiskalpolitik, scheut die Bundesregierung sich nicht, Druck auf andere EU-Staaten auszuüben. Gern aber gibt man sich nun bescheiden, um sich unter dem Vorwand, die europäische Zusammenarbeit zu fördern, von lästigen Einschränkungen bei den Rüstungsexporten zu verabschieden. ­Offene Kooperation mit Diktatoren statt Heuchelei und nachsichtigem Umgang mit Vorschriften – nicht immer sind Ehrlichkeit und Transparenz in der Politik eine gute Sache.