Wie Erdogan den venezolanischen Präsidenten Maduro stützt

Eine goldene Freundschaft

Warum und wie der türkische Präsident Erdoğan seinen venezolanischen Amtskollegen Maduro stützt.

»Maduro, mein Bruder, bleibe standhaft, wir sind an deiner Seite!« versicherte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan seinem vene­zolanischen Amtskollegen Nicolás Maduro am 23. Januar am Telefon. Die Worte verbreitete sein Pressesprecher Ibrahim Kalın noch um Mitternacht über Twitter und Erdoğan wiederholte sie am Tag darauf während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem maltesischen Staatschef.

Der Zeitpunkt des Anrufs hing offenbar mit dem Tweet des US-amerika­nischen Präsidenten Donald Trump zusammen, in dem dieser Maduros Rivalen Juan Guaidó als Interimspräsidenten anerkannte. Die Botschaft kam Erdo­ğan offenbar gelegen. Gerade war er auf dem Rückweg von einem Besuch bei dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau. Das Ergebnis ihrer Besprechungen könnte der Anfang vom Ende für Erdoğans ehrgeizige ­Syrien-Politik sein. Statt Erdoğan freie Hand im Kampf gegen die Kurden in Syrien zu geben, verwies Putin ihn auf das Adana-Protokoll zwischen der Türkei und Syrien von 1998. Es verpflichtet die syrische Regierung, Aktivitäten der PKK auf ihrem Territorium zu unterbinden. Erdoğan behauptet, das Adana-Protokoll gebe der Türkei ein Interven­tionsrecht in Syrien. Das steht aber so nicht im Text. Die syrische Regierung sagte darauf sofort, sie werde sich an die Vereinbarung halten, aber zunächst müsse der damalige Zustand wieder hergestellt werden. Die Türkei müsse ihre Truppen aus Syrien abziehen und dürfe keine »Terroristen« in Syrien unterstützen.

Venezuelas Goldexport in die Türkei stieg in den ersten neuen Monaten des vergangenen Jahres von null im Vorjahr auf 900 Millionen Dollar.

Putin gab Erdoğan ganz deutlich zu verstehen, er solle mit demselben Bashir al-Assad wieder zusammenarbeiten, den er seit Jahren stürzen will. Es ist knapp zwei Monate her, dass Erdoğan überraschend erklärte: »Wir werden in ­wenigen Tagen eine Operation beginnen, um den Osten des Euphrats von separatistischen Terroristen zu säubern.« Die türkischen Truppen würden über Nacht kommen, ohne Ankündigung. Obwohl es Erdoğan gelang, Trump zum Abzug aus Syrien zu überreden, hat sich bislang nichts getan. Die US-Ame­rikaner haben es nun doch nicht so eilig, ihre Sachen zu packen, und von Putin kommt keine Unterstützung. Die türkische Armee ist zwar zusammen mit Erdoğans syrischen Verbündeten aufmarschiert, wartet aber Gewehr bei Fuß, anstatt über Nacht anzugreifen und die US-Truppen einfach beiseitezuschieben, wie es Erdo­ğan ange­kündigt hatte.

Da trifft es sich gut, dass Erdoğan nun ein neues Thema hat, das man so umschreiben kann: »Wir trotzen an der Seite von Maduro dem Putschversuch der USA.« Regierungstreue tür­kische Medien haben die Archive nach allen wirklichen oder vermeintlichen Putschversuchen der CIA weltweit durchforstet. Nicht zuletzt wird der Putschversuch gegen Erdoğan am 15. Juli 2016 erwähnt, für den dieser die Gülen-Sekte und die USA verantwortlich macht.
Dass es der Bevölkerung in Venezuela schlecht geht, ist in der Türkei bekannt, doch die Schuld suchen viele ausschließlich bei den USA. Genauso sollen auch die ökonomischen Probleme der Türkei ausschließlich auf einen ökonomischen »Angriff« der USA zurückzuführen sein.

Dadurch dass Erdoğan Maduro unterstützt, bedient er auch die seit Jahrzehnten immer wieder aufwallenden antiimperialistischen Neigungen in der Türkei, bei Linken, bei Rechten, bei Islamisten, bei fast allen. Gerade Vertreter der von Erdoğan hart verfolgten Linken nahmen kein Blatt vor den Mund. »Es geht nicht um Maduro, sondern es geht um die imperialistischen Monopole, die Venezuelas Öl verschlingen«, sagte der Kolumnist der säkularen Cumhuriyet, Mehmet Ali Güller, während einer Fernsehdiskussion. Fatih Yašlı nahm in der linken Bir Gün den Fall Maduro zum Anlass, die Begriffe »Diktatur« und »Demokratie« gründlich zu hinterfragen, mit dem Ergebnis, dass Demokratie noch nicht »Herrschaft des Volks« bedeute. Also ist Maduro bei aller möglichen Kritik fein raus. Man fragt sich, warum türkische Linke dann bei Erdoğan so pingelig sind. Kritische Stimmen wie Mine G. Kırıkkanat, die bei aller Kritik an den USA Maduro doch ein ziemlich schlechtes Zeugnis ausstellte, sind in der Minderheit.

Doch Erdoğans Unterstützung für Ma­­duro ist mehr als ein kurzfristiger Propaganda-Coup. Erdoğan hat ein Faible für persönliche Freundschaften mit anderen Potentaten. 2010 erhielt Erdo­ğan den »Gaddafi-Preis für Menschenrechte«. Damals nannte er auch noch Bashar al-Assad seinen »Bruder« und machte mit ihm Urlaub. Während Erdo­ğan Gaddafi und Assad letztlich fallen ließ, hielt er unbeirrt an dem sudanesischen Diktator Omar al-Baschir fest. Seine neuen Favoriten sind der Emir von Katar und eben Maduro. Anders als demokratisch gewählte Regierungschefs bleiben Autokraten für unbegrenzte Zeit im Amt, haben für manche Dinge besonderes Verständnis und mehr Freiheiten, sich zu revanchieren.

Als einziger Staatspräsident Amerikas reiste Maduro zu Erdoğans pompösem zweiten Amtsantritt im Sommer vergangenen Jahres an. Er nannte Erdo­ğan den »Führer einer neuen multi­polaren Welt«. Als sich Erdoğan Anfang De­zember mit einem Besuch in Caracas revanchierte, bekam er den Orden »El Libertador« und ein Schwert überreicht.

Zudem importiert die Türkei Gold aus Venezuela. Trump unterzeichnete Anfang November ein Dekret, das Sanktionen gegen Venezuelas Goldexporte verhängt; es verbietet US-Bürgern, mit Personen oder juristischen Personen Geschäfte über »korrupte oder irreführende« Goldverkäufe aus Venezuela abzuschließen. Das könnte auf dritte Parteien wie die Türkei ausgeweitet werden. Zuvor war Venezuelas Goldexport in die Türkei in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres von null im Vorjahr auf 900 Millionen Dollar angestiegen. Das Gold soll angeblich raffiniert und dann nach Venezuela zurückgebracht werden. Doch es gibt keine Belege für einen Rückexport, also wittert man in den USA einen Sanktionsbruch; nach Angaben der BBC hat die türkische Regierung deshalb Warnungen erhalten. In der Türkei profitiert von dem Geschäft die Ciner-Gruppe, die nicht nur in den Bergbau, sondern auch in Medien investiert und mit diesen Erdoğan unterstützt.

Am 16. Januar besuchte Maduros Stellvertreter Tareck El Aissami eine Goldraffinerie in Çorum. Angeblich wurden weitere 20 Tonnen Gold rasch außer Landes gebracht, ob in die Türkei, ist unklar. Goldverkäufe aus den Beständen der venezolanischen Zentralbank sind nicht genug, um die wirtschaftlichen Probleme Venezuelas zu lösen, aber vielleicht genug, um mit Devisen den Kern von Maduros Machtapparat bei Laune zu halten.
Für Erdoğan ist die Politik zu Maduros Gunsten riskant, doch wenn er dem ­venezolanischen Politiker helfen kann, im Amt zu bleiben, empfiehlt ihn das nicht nur zu Hause, sondern etwa auch in Teheran und in Moskau.