Bitte nicht füttern - Jugendliche und Tiere, die die Welt verändern

Coco, Greta und ich

Kolumne Von

Was zurzeit junge Menschen bewegt, das Klima, war zu meiner Zeit noch der Atomkrieg. Und was heutzutage Greta Thunberg ist, war damals ich. Die 16jährige Schwedin ist eine engagierte Klimaschützerin, die offen ihre Angst vor einer Klimakatastrophe formuliert, deswegen freitags die Schule bestreikt und die Welt wachrütteln möchte. So wie ich damals. Eigentlich ist der einzige Unterschied, dass es damals noch kein Internet gab, keine sozialen Medien und mein Engagement auf deutlich weniger Resonanz stieß. Es gab daher auch keine gegen mich eifernde Meute und dann auch keine eifernde Meute gegen die eifernde Meute, wogegen eine weitere eifernde Meute eifernd gemeutert hätte. Aber sonst war es so ziemlich dasselbe: Ich hatte Angst und wollte die Welt aufrütteln.

Also nahm ich ein großes Pappschild und schrieb darauf: »Pershing II, SS-20 – Ich habe Angst! Warum macht Ihr mich zum Ziel?« Das war natürlich naiv, beziehungsweise man hätte das böswillig, aber zu Recht, als deutsch­nationale Fremdbestimmungsideologie kritisieren können. Aber mein Gott, ich war 15. Ich hatte das Herz am rechten Fleck. Wie Greta. Mit diesem Schild stellte ich mich in Düsseldorf auf den Schadowplatz in die Fußgängerzone, ganz allein und ohne es mit irgendwem abgesprochen zu haben. Und so stand ich da stundenlang und die Passanten gingen staunend an mir vorüber. Ich wusste, ich tat das Richtige. Ich musste es tun. Ein paar Tage ging das. Irgendwann sprach mich ein Musikproduzent an und meinte, ich hätte eine tolle Ausstrahlung und sei so engagiert, ob ich nicht mal in sein Tonstudio, irgendwo in Hessen war das, kommen wolle, er könne mich groß rausbringen. Ich war dann später tatsächlich dort, meine Eltern hatten mich hingefahren, und ich sang vor – schließlich schrieb ich ja selbst Antikriegslieder. Aus der Popkarriere wurde nichts, weil meine Eltern die Seriosität des Produzenten anzweifelten. Vermutlich zu Recht.

Jedenfalls, kann man im Nachhinein sagen, habe ich dazu beigetragen, den Atomkrieg zu verhindern, und ich wünsche Greta, dass sie eines Tages dasselbe sagen kann für ihr Anliegen. Und Coco? Same same: Sie ist, umgerechnet in Menschenjahre, ebenso im Teenageralter und hat zuweilen Angst und dann möchte sie die ganze Welt wachrütteln und bellt und schlägt Alarm. Aber was kann sie damit erreichen? Nichts. Der kleine Hund findet zwar manche Sachen gut und andere schlecht, hat in gewisser Weise Werte – aber dazu kein Weltbild, null Ideologie, keinen Standpunkt. Coco macht daher weniger falsch, aber es führt auch ­nirgendwohin. Obwohl, so ganz stimmt das nicht. Denn natürlich reagiere ich, wir gehen abends nur an der beleuchteten Straße, weil sie im Dunkeln so schreckhaft ist. Das heißt: Auch ich gehe dort entlang, obwohl ich im Dunkeln keine Angst habe. Coco verändert also durchaus die Welt, wie Greta und ich.