Was man drei Wochen nach den rassistischen Anschlägen in der Silvesternacht in Bottrop und Essen weiß

Schleppende Ermittlung

Nach den rassistischen Anschlägen in Bottrop und Essen konzentriert sich die Staatsanwaltschaft auf den psychischen Zustand des mutmaßlichen Täters, der angeblich keine Verbindungen zur extremen Rechten hatte.

Mehr als drei Wochen sind vergangen, seit der 50jährige Essener Andreas N. seinen Wagen an Neujahr vier Mal in feiernde Menschengruppen steuerte, um Migranten zu töten. Acht Menschen verletzte er dabei, eine Frau aus Syrien so schwer, dass nur eine Notoperation ihr Leben rettete. Nach der anfänglich großen medialen Aufmerksamkeit wurde kaum noch über den Fall berichtet. Die Ermittlungen laufen offenbar schleppend. Andreas N. hatte, nachdem er aufgehalten und festgenommen worden war, keinen Hehl aus seiner rassistischen Gesinnung gemacht. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist unklar, ob er nach seiner Festnahme wei­tere Aussagen gemacht oder ein Geständnis abgelegt hat.

Am rassistischen Motiv gibt es keine Zweifel, doch die Behörden konzentrieren sich derzeit eher auf den psychischen Gesundheitszustand des mutmaßlichen Täters. Die Staatsanwaltschaft hat in der vergangenen Woche ein psychi­atrisches Gutachten in Auftrag gegeben, das noch in Bearbeitung ist. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte bereits kurz nach dem Anschlag bekanntgegeben, dass Andreas N. in der Vergangenheit wegen psychischer Probleme in Behandlung gewesen sei. Derzeit sitzt N. noch in Untersuchungshaft, in eine Psychiatrie wurde er nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht überwiesen. Die Ermittler behaupten, einen möglichen politischen Hintergrund geprüft zu ­haben, Verbindungen zur organisierten Rechtsextremen schließt die Staatsanwaltschaft aus. Andererseits sollen auf Datenträgern Dateien mit rechtsex­tremen Inhalten gefunden worden sein. Woher diese Dateien stammen und was sie enthalten, wollte die Staatsanwaltschaft nicht mitteilen.

Unklar ist zudem, welche Gruppen die Staatsanwaltschaft überhaupt als rechtsextrem einstuft. Wahrscheinlich ist, dass die Kriterien des Verfassungsschutzes angewendet werden. Dieser beobachtet in der Regel vor allem Gruppen aus dem neonazistischen Milieu und berichtet jährlich darüber. Die derzeitige Debatte über die Beobachtung der AfD (siehe Seite 6) zeigt jedoch, wie unklar und fragwürdig die Kriterien sind. Wer sich seriös und bürgerlich gibt, hat gute Chancen, nicht als rechtsextrem eingestuft zu werden, auch wenn es nachweislich Verbindungen zu Neonazis gibt. Diese Kontakte werden im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht genannt, so war Pegida 2015 ein Abschnitt des Berichts gewidmet, 2016 wurden die Veranstaltungen  der Organisation bereits als »Mischszenen« bezeichnet.

Die syrische Frau, die sich in Lebensgefahr befand, lag noch zwei Wochen nach dem Anschlag im Krankenhaus. Ob das noch immer der Fall ist, konnte die zuständige Polizeidirektion in Recklinghausen auf Anfrage nicht mitteilen. Weitere Aussagen über Gesundheitszustand der anderen Betroffenen gab es auch seitens der Staatsanwaltschaft nicht. Nach rechten oder rassistischen Gewalttaten haben die Opfer und Betroffenen zudem Anspruch auf Beratung bei Institutionen wie der Opferberatung Rheinland.

Staatsanwaltschaft und Polizei müssen die Betroffenen, falls diese das wollen, zu solchen Beratungsstellen weiterleiten. Diese sind dann auch für die weitere Betreuung in einem möglicherweise bevorstehenden Prozess zuständig.