Laborbericht - Der CRISPR-Skandal

Flop mit Genschere

Kolumne Von

»Wunderwaffe gegen HIV entwickelt.« Vielleicht hatte der chinesische Biophysiker He Jiankui gehofft, dass so die schlagzeilenträchtigste Wissenschaftsmeldung des Jahres 2018 lauten würde, als er öffentlich bekanntgab, er habe zwei unlängst ge­borene Säuglinge gentechnisch so verändert, dass sie gegen das Virus immun seien. Stattdessen gelangte He als »Skandalforscher« in die Medien, die Süddeutsche Zeitung nannte ihn gar »Chinas Frankenstein«.

Die Wissenschaftsgemeinde blieb zwar sachlicher, war aber nicht minder entsetzt: Der Mann hat – sollten seine Angaben stimmen – so ziemlich gegen alle ethischen und wissenschaftlichen Richtlinien verstoßen, die sich die Forschung setzt. So werden Eingriffe ins menschliche Erbgut zu medizinischen Zwecken zwar nicht grundsätzlich abgelehnt, die oberste Devise ist allerdings, dass dies nur geschehen sollte, wenn keine andere Therapie möglich ist – eine HIV-Infektion jedoch ist medikamentös behandelbar, auch wenn die Nebenwirkungen hier nicht kleingeredet werden sollen.

Ein weiterer Grundsatz in Sachen Gentherapie lautet: »Nur nichts überstürzen.« Schließlich ist selbst die wegen ihrer Präzision als »Genschere« gefeierte CRISPR/Cas-Technik längst nicht ausgereift; so kommt es immer wieder vor, dass DNA-Abschnitte an Stellen ins Erbgut eingebaut werden, an die sie nicht gehören, was zu einem erhöhten Krebsrisiko und anderen Problemen führen kann.

Und das sind nur zwei der rein wissenschaftlichen Kritikpunkte. Unklar ist zudem, ob die Eltern der Kinder die volle Bedeutung der Einwilligungserklärung verstanden haben, die sie unterschrieben haben. Dass He, der nach eigenen Worten »stolz« auf seine Leistung ist, seine Arbeit im Geheimen betrieben hat und Youtube als sein Publikationsmedium wählte, statt seine Ergebnisse zur Begutachtung bei einem Fachjournal einzureichen, lässt vermuten, dass dem Forscher – gegen den mittlerweile auch strafrechtlich ermittelt wird – bewusst war, auf welch dünnem Eis er sich da bewegt.

Zu einer Aufweichung aller Regeln, wie manche befürchten, dürfte das haarsträubende Experiment ­allerdings nicht führen, eher im Gegenteil. Wer an menschlichen Embryonen forscht, sieht sich ohnehin schon mit Misstrauen und gesetzlichen Hürden zu konfrontiert; so hat etwa die US-Gesundheitsbehörde bereits im September, also ohne Zusammenhang mit Hes Arbeit, staatlichen Laboren die Ver­wendung von embryonalem Gewebe untersagt. Eine der dadurch gestoppten Studien sollte sich, böse ­Ironie, mit möglichen HIV-Therapien befassen. Der chinesische CRISPR-Skandal dürfte dazu beitragen, dass solche Forschungsprojekte weltweit künftig auf noch größere Widerstände stoßen.